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Die zwei Monde: Roman (German Edition)

Die zwei Monde: Roman (German Edition)

Titel: Die zwei Monde: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luca Tarenzi
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Einvernehmen war, halb Verneigung war, und ging schnell aus dem Salon, bevor ich ihr auch nur eine der tausend Fragen stellen konnte, die mir durch den Sinn gingen. Im Hinausgehen warf sie mir einen Blick zu, der mir ebenso warnend wie flehentlich erschien.
    »Es gibt nichts, worüber du dir Sorgen machen müsstest«, versicherte mir der Conte. »Schick deine Nachricht und verhalte dich ruhig bis morgen Mitternacht. Bis dahin wird alles bereit sein.«
    Ich merkte, dass er mich los sein wollte, und stand unwillkürlich auf. Auch ich hatte das Bedürfnis, zu gehen.
    Aber da war noch eine letzte Frage, die mir auf der Seele brannte. »Conte, gestern Nacht habe ich … etwas gesehen, das ich nicht verstehen kann.«
    Ich beschrieb ihm so gut ich konnte die leuchtenden Schleier, die die Stadt durchwabert hatten. Der Conte hörte mir ohne Unterbrechung zu und nickte dann. »Du hast die Verborgenen Pfade gesehen, Veronica. Und du wirst sie noch häufiger sehen, denn dein Blick wird immer schärfer werden. Der Mond am Himmel nimmt zu, und mit ihm wächst auch die Kraft des Wolfes. In der Vollmondnacht wird der Gott in dir sein, und dann wirst du alle Geheimnisse erkennen.«
    Und ohne ein weiteres Wort begleitete er mich zur Tür und zum Aufzug.
    Erst als ich auf der Straße stand, realisierte ich, dass mein plötzliches Bedürfnis, zu gehen, nichts mit den vielen Unklarheiten in meinem Kopf zu tun hatte. Der Conte hatte Regina mit einer Bestimmtheit hinauskomplimentiert, die mir im Nachhinein überhaupt nicht gefallen wollte. Fürchtete er etwa, dass ich sie in Bezug auf den morgigen Abend etwas fragen würde, das ich nicht wissen durfte? Was verbarg er vor mir?
    Ratlos schüttelte ich den Kopf und machte mich auf den Weg. Es gab kein Zurück mehr: Was geschehen sollte, würde geschehen.
    Und mal abgesehen von aller Schwarzmalerei gab es zwei weitere Gründe, nicht länger darüber nachzugrübeln: Erstens musste ich mir selbst eingestehen, dass ich dem Conte vertraute. Was auch immer er im Sinn hatte, er war bisher immer ehrlich zu mir gewesen. Wieso sollte ich also ausgerechnet jetzt anfangen, an ihm zu zweifeln? Und zweitens – das war völlig irrational, aber eine unbestreitbare Tatsache – freute ich mich, Ivan wiederzusehen.
    Allein die Vorstellung verursachte ein solches Gefühlschaos, dass ich meine Gedanken schnell in andere Bahnen lenkte.
    Ich vertrieb mir die Zeit bis zur Dämmerung und wartete einen unbeobachteten Moment ab, um mich in eine nahegelegene Gasse zu schleichen und den Wolf zu rufen.
    Inzwischen wusste ich, dass der Weg über die Dächer nicht nur schnell, sondern auch ziemlich sicher war: Die Leute in der Stadt verwandten nicht die geringste Aufmerksamkeit auf das, was sich oberhalb der Straße abspielte. Die Dunkelheit und die Schattenspiele der künstlichen Lichter machten es möglich, sich problemlos und ungesehen durch die Stadt zu bewegen. Der Instinkt, der mich dabei leitete, war mir inzwischen wohlvertraut, aber immer noch vollkommen unbegreiflich.
    Auch ohne den Weg zu kennen, wusste ich genau, wohin ich mich wenden musste: Die letzten drei Nachmittage hatte ich mehrere Stunden damit zugebracht, mein Ziel ausfindig zu machen. Die Satellitenbilder von Google Maps waren eine wirklich geniale Erfindung.
    Als ich den südlichen Stadtrand von Mailand erreicht hatte, wurde es schwieriger: Es gab weniger Licht, viel breitere Straßen und größere Zwischenräume zwischen den Häusern. Aber ich fand mein Ziel und landete mit einem Satz auf dem Dach.
    Ich hätte nicht sagen können, worum es sich bei dem Gebäude genau handelte. Auf Google Maps war nicht viel mehr als ein großes schwarzes Rechteck zu sehen; jetzt, da ich vor Ort war, ließen die abgeblätterten, gelb gestrichenen Wände und die großen Bogenfenster mit den schmutzigen Gläsern ein unbenutztes Fabrikgebäude erkennen. Die ganze Gegend sah nicht viel anders aus, überall Lagerhallen, Parkplätze und blechgedeckte Industriebauten.
    Das Dach meines Zielobjektes war geteert, so schwarz wie der leere Raum zwischen den Sternen. Und genau deshalb hatte ich es ausgewählt: Es war etwas breiter als gedacht, aber das würde ich schon hinkriegen. Der Dachrand wurde von einem Metallnetz umzäunt, das von Metallpfosten gehalten wurde und perfekt war für meine Zwecke.
    Ich brauchte ein paar Minuten, um die Requisiten aus meinem Rucksack in Stellung zu bringen. Nach einer abschließenden Prüfung, ob alles an seinem Platz war, ließ ich mich mit

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