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Die zwei Monde: Roman (German Edition)

Die zwei Monde: Roman (German Edition)

Titel: Die zwei Monde: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luca Tarenzi
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Ich hatte es schon wieder völlig vergessen.
    »Nein«, erwiderte ich, »das muss eine allergische Reaktion oder so was sein.«
    Das könnte sogar stimmen. Aber ich war nie allergisch gegen irgendwas gewesen, und ich hatte auch noch nie von Allergien gehört, die die Haut wie Feuer verbrannten. Morgen würde ich Irene fragen: Sie war gegen ein gutes Dutzend Dinge allergisch.
    »Was hast du denn angefasst?«, fragte er mich.
    »Eine Blume.« Ich sagte es, bevor ich mir dessen bewusst wurde.
    »Kann man denn gegen Blumen allergisch sein?«
    »Ich habe keine Ahnung.«
    »Also wusstest du nicht, dass du gegen das allergisch bist, was du angefasst hast?«
    Ich schüttelte verwirrt den Kopf.
    Er streckte eine Hand nach mir aus. »Darf ich?«
    Ich zögerte einen Moment, dann nickte ich.
    Er nahm meine Hand in die seine, und wieder bemerkte ich, wie stark und gleichzeitig zart seine Hände waren, lang und schmal: Künstlerhände. Vielleicht hatte er doch die richtige Fakultät gewählt. Ich bekam eine Gänsehaut.
    Ivan beugte sich vor, um das rote Mal zu untersuchen und kam mir dabei so nahe, dass ich den Duft seiner Haare riechen konnte: etwas Moschusähnliches mit einer vagen Spur von Chlor. Fast tat es mir leid, dass ich jetzt keinen Anfall von Hyperästhesie hatte.
    »Es sieht ganz frisch aus«, sagte er.
    Bevor ich antworten konnte, klingelte in seiner Jackentasche ein Telefon. Er entschuldigte sich, nahm ab und antwortete nur mit einem knappen »Ich komme«.
    »Es tut mir leid, mein Wagen ist da. Ich muss gehen.« Er stand auf und trank in einem Schluck, was von seinem Kaffee noch übrig war.
    Ich stand ebenfalls auf, obwohl ich meine Cola kaum angerührt hatte. »Für mich ist es auch Zeit.«
    Wir waren in wenigen Schritten an der Tür: Ivan öffnete sie und trat dann zur Seite, um mich vorbeizulassen. Ich lächelte und schüttelte den Kopf.
    Er sah mich an. »Was ist denn?«
    »Na ja, es ist das erste Mal in meinem Leben, dass ein Typ mir die Tür aufhält.«
    »Das glaube ich nicht.«
    »Es stimmt aber.«
    »Willst du damit sagen, dass ich altmodisch bin?«
    »Ein bisschen schon.« Sehr, um ehrlich zu sein …
    Er lächelte und bat mich mit übertriebener Geste nach draußen. Ich lächelte und tat, wie geheißen.
    Draußen funkelten die abendlichen Straßen Mailands im Licht der Leuchtreklamen, Laternen und Autoscheinwerfer, erstickt vom Verkehr, der kaum weniger dicht als tagsüber war. Würde ich mich je an all das gewöhnen?
    Ivan sah mich mit einem Ausdruck von Unentschlossenheit an. »Also dann … Ciao.«
    Ich nickte. »Ciao.«
    »Ich würde dir ja eine Mitfahrgelegenheit anbieten, aber du würdest sicher nicht annehmen, weil wir uns gar nicht kennen, und damit hättest du ganz recht. Und es wäre für uns beide peinlich. Daher wäre es besser, wenn ich gar nichts gesagt hätte. Aber jetzt habe ich es gerade gesagt. Und eigentlich wollte ich doch das Gegenteil sagen.«
    Wir starrten uns einen Moment lang an, dann brachen wir beide gleichzeitig in Lachen aus.
    Ich zeigte auf die Metro-Station auf der anderen Straßenseite. »Ich nehme die da.«
    »Dann also bis nächste Woche. Ich rechne fest mit dir.«
    Ich setzte eine herausfordernde Miene auf. »Ich werde da sein.«
    Aus einem Wagen mit laufendem Motor, der wenige Meter von uns entfernt auf dem Gehsteig stand, erklang zweimal eine Hupe.
    »Man ruft mich zur Ordnung.« Er verabschiedete sich mit einem Kopfnicken und verschwand im Wagen: Ein richtiger Schlitten, metallic-grau und so tiptop poliert, dass sich im Heck die Lichter der Straßenlampen spiegelten. Ich versuchte, einen Blick auf den Fahrer zu erhaschen, aber es war zu dunkel, um etwas zu erkennen.
    Ich überquerte die Straße zur Metro. Mein Kopf fühlte sich ganz leicht an.
    Als ich nach Hause kam, stand meine Mutter am Herd und rührte in einer großen Pfanne mit thailändischem Reis. Schon im Flur roch es nach exotischen Gewürzen. Ich lächelte, ich mochte thailändisches Essen. Während ich Schal und Jacke an die Garderobe hing, fiel mein Blick auf das rote Mal auf meiner Hand. Die gute Laune verging mir schlagartig und machte einer bohrenden Unruhe Platz, die ich inzwischen gut kannte. Plötzlich hatte ich eine Idee.
    »Mama, kennst du vielleicht eine violette, glockenförmige Blume?«
    Sie fuhr so erschrocken zusammen, dass sie um ein Haar die Reispfanne vom Herd gerissen hätte. Da sie mit Umrühren beschäftigt gewesen war, hatte sie mich nicht hereinkommen hören.
    »Nica, willst du mich

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