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Die zwei Monde: Roman (German Edition)

Die zwei Monde: Roman (German Edition)

Titel: Die zwei Monde: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luca Tarenzi
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losgeschwommen! Also verdoppelte ich die Kraft meiner Armstöße und überholte ihn meinerseits, aber kurz vorm Beckenrand zog er schon wieder an mir vorbei und war tatsächlich eine Sekunde vor mir am Ziel.
    Die dritte Bahn geriet zu einem Kopf-an-Kopf-Rennen, offenbar hatte auch er die Kampfansage registriert. Ich überholte ihn zweimal, aber immer ganz knapp, und er holte mich jedes Mal mit wenigen Armstößen wieder ein: Dann berührte er um Bruchteile schneller den Beckenrand, wendete blitzartig und warf sich in die vierte Bahn. Ich bekam kaum noch Luft, aber mein Kampfgeist war stärker als meine Lunge. Ich hielt mich verzweifelt hinter ihm, ignorierte den Schmerz in meinen Muskeln und überwand so Armeslänge um Armeslänge die Distanz, die uns trennte. Wenige Meter vor dem Ende der Bahn spannte ich meinen Körper vollständig an und explodierte in einen wahren Wirbelwind aus Armstößen, sodass wir schließlich beide im gleichen Augenblick den Beckenrand berührten.
    Ich wendete für die nächste Bahn … blieb auf dem Rücken liegen wie ein toter Frosch.
    Ich brauchte eine ganze Minute, bis ich keinen Schmerz mehr spürte, und noch länger, um wieder zu Atem zu kommen. Ich lag einfach nur da und starrte an die Decke des Schwimmbads, auf die weißen und blauen Kacheln und die großen Neonringlampen, um die herum ich in diesem Moment intensive violett-blaue Lichthöfe sah; ein vertrautes Phänomen, das von der Erschöpfung und dem Chlor in den Augen kam.
    Als ich endlich wieder auftauchte und einen Blick in die Runde warf, saß der unbekannte Junge zwei Meter von mir entfernt auf dem Rand des Schwimmbeckens.
    Er lächelte mir zu, genau wie schon oben auf dem Sprungbrett. »Alle Achtung, du hast ja ganz schön viel Puste.«
    Ich war mir nicht sicher, ob das ernst gemeint oder herablassend gesagt war, und das irritierte mich noch mehr.
    »Das sagt der Richtige.« Ich paddelte bis zum Rand des Schwimmbeckens und hievte mich aus dem Wasser. »Ich hatte das Gefühl, mit einem Motorboot um die Wette zu schwimmen.«
    Ich wollte gerade hinzufügen, dass es einen Grund gab, warum Männer und Frauen in allen sportlichen Disziplinen in unterschiedlichen Kategorien antreten, aber ich biss mir auf die Lippe: Das war Zickengejammer.
    »Ich meine es gar nicht im Spaß: Du hast super durchgehalten, auch als du nicht mehr konntest.«
    War so deutlich zu erkennen, dass ich am Ende war?
    »Du bist nach mir losgeschwommen.« Es war nicht die intelligenteste Bemerkung, die ich machen konnte, aber spontan fiel mir nichts Besseres ein.
    Er lachte. »Das nächste Mal lassen wir uns einen Startschuss geben.«
    Das nächste Mal?
    Er reichte mir die Hand. »Ivan.«
    »Veronica.«
    Er hatte einen festen, aber behutsamen Händedruck.
    »Kommst du oft hierher?«
    Ich zuckte die Achseln. »Mehr oder weniger.«
    »Für mich ist es das erste Mal.«
    »Das erste Mal, dass du schwimmst?« Ich bereute sofort, dass ich es gesagt hatte: Es war ein ziemlich idiotischer Witz. Was tat ich da eigentlich? Versuchte ich etwa, die Geistreiche zu spielen und ihn mit schlagfertigen Antworten zu beeindrucken?
    Er lachte trotzdem, und es schien mir ein ehrliches Lachen zu sein. »In gewisser Weise ja: Ich habe keinen Fuß mehr ins Wasser gesetzt seit … Ich weiß gar nicht mehr, mindestens sieben Jahren.«
    »Verarschst du mich?«
    »Überhaupt nicht.«
    »Du schwimmst einen perfekten Stil, du hast die Lunge von einem Profischwimmer, und du willst mir weismachen, dass du seit sieben Jahren nicht mehr trainiert hast?«
    »Danke.«
    Ich hob die Augenbrauen. »Danke wofür?«
    Er lächelte. »Danke für das Kompliment.«
    »Welches Kompli…« Oh, dumme, dumme Veronica!
    Ich hatte große Lust, zu flüchten. Stattdessen war er es, der aufstand.
    »Ich fürchte, ich muss mich von dir verabschieden.« Er wies auf die riesige Uhr, die am Ende des Schwimmbads an der Wand hing. »Es ist ein bisschen spät geworden für mich.«
    Er sah mir in die Augen, ein Blick, der sich mir tief ins Gedächtnis prägte. Seine Iris war so dunkel, dass sie von den Pupillen fast nicht zu unterscheiden war. Augen in der Farbe eines Obsidians.
    »Bist du morgen auch hier?«
    Ich schüttelte den Kopf.
    »Und Samstag?«
    »Sehr unwahrscheinlich.«
    Er lächelte wieder. »Dann also nächste Woche.«
    Ich zuckte erneut die Achseln.
    Plötzlich fehlten mir die Worte, noch schlimmer als in den Gesprächen mit Alex.
    »Dann also nächste Woche«, wiederholte er in entschlossenem Ton. »Du

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