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Die zwei Monde: Roman (German Edition)

Die zwei Monde: Roman (German Edition)

Titel: Die zwei Monde: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luca Tarenzi
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sie ihren Widerstand aufgaben und die Form annahmen, die ich haben wollte, ich zog schwarze Cordhosen an und ein schwarzes Jeanshemd über einem dunkelgrauen T-Shirt, steckte mir Perlmuttohrringe in Form einer Mondsichel ins Ohrläppchen und nutzte die verbliebenen Minuten, um meine Springerstiefel zu putzen. Dann frühstückte ich schweigend und verließ die Wohnung.
    Der Wind hatte über Nacht für einen wolkenlosen Himmel gesorgt, und die Sonne ging an diesem Morgen an einem beinahe eisblauen Himmel auf.
    Zum zweiten Mal in dieser Woche kam ich sehr früh in die Schule, und zum zweiten Mal traf ich Irene auf der Treppe. Ich erkannte sie an ihrem cremefarbenen Mantel, denn ihr Gesicht war hinter einem gigantischen Strauß roter Rosen verborgen, den sie mit beiden Händen festhielt.
    »Irene!«
    Sie schaute mit einem Auge hinter dem Dickicht aus purpurfarbenen Blütenblättern hervor. »Hallo, Veronica, könntest du mir helfen?«
    Ich half ihr, das Samtband zu lösen, das den Strauß zusammenhielt, und nahm ihr die eine Hälfte Blumen aus der Hand: Auf zwei Leute verteilt, verwandelte sich das Monstrum in zwei immer noch riesige Sträuße. Ich schnupperte an einer der Rosen: Sie duftete zwar nicht, aber sie war immerhin echt.
    »Wie kommst du denn dazu?«
    Irene zog ein Gesicht, halb verzweifelt, halb peinlich berührt. »Ein Bote hat sie mir vor einer Minute in die Hände gedrückt, draußen am Schultor. Vor allen Leuten.«
    Ich blieb zwei Sekunden lang stumm, dann erst verstand ich. Es war der vierzehnte Februar. Valentinstag.
    Unter normalen Umständen wäre das undenkbar gewesen: Seit Wochen schon konnte man sich auf der Straße in keine Richtung drehen, ohne einem Pappherzchen oder einer Baci-Perugina-Werbung zu begegnen. Und doch hatte ich es tatsächlich geschafft, den Valentinstag zu vergessen. Vielleicht, weil mir in letzter Zeit auf der Straße Gespenster begegneten.
    »Ist alles in Ordnung?«
    Ich sah meine Freundin an und schüttelte den Kopf. »Überhaupt nicht. Ich habe den Rest des Monats Hausarrest.«
    Irene riss die Augen auf. »Was ist denn passiert?«
    »Gestern Abend hat meine Mutter mich beim Ausgehen erwischt.«
    »Ohne Erlaubnis?«
    Ich seufzte. »Es war ein Uhr nachts.«
    Irene blieb mitten auf der Treppe stehen. »Und was machst du um ein Uhr nachts draußen?«
    Seit ich heute Morgen aufgewacht war, hatte ich mir Dutzende von möglichen Antworten auf diese Frage durch den Kopf gehen lassen, aber keine einzige davon wäre ehrlich gewesen. »Wenn ich dir das erzählen würde, würdest du mir nicht glauben. Aber ich werde dir alles erklären, versprochen. Nur nicht jetzt, bitte.«
    Meine Freundin zögerte, dann nickte sie mit einem besorgten Gesichtsausdruck. »Sag mir nur eins, Veronica.«
    »Was denn?«
    »Steckst du in Schwierigkeiten?« Sie schwieg einen Augenblick. » Ernsthafte Schwierigkeiten, meine ich.«
    Auf diese Frage war ich nicht so gut vorbereitet, aber ich beschloss, auch diesmal nicht zu lügen. »Ich weiß es nicht. Ich verstehe ja selbst nicht, was da gerade passiert, aber ich schwöre dir, dass ich nichts Schlimmes angestellt habe. Ich schwöre es dir auf alles, was du nur willst, Irene.«
    Irene nickte noch einmal und rang sich ein Lächeln ab. »Ich glaube dir!« Sie legte ihren freien Arm um meine Schulter. »Aber lass mich wissen, wenn es etwas gibt, das ich tun kann.«
    Ich lächelte zurück, ein müdes Lächeln. »Du hörst mir zu: Das ist mehr, als irgendjemand sonst bisher für mich getan hat.« Ich verkniff mir den Zusatz, dass ich am Morgen unter der Dusche eine Entscheidung gefällt hatte, die mich im besten Falle zu ein paar Antworten führen würde.
    »Mit deiner Mutter hast du nicht gesprochen?«
    »Nein.«
    »Und wie hast du deine nächtlichen Eskapaden entschuldigt?«
    »Ich habe sie gar nicht entschuldigt. In der Aufregung ist mir keine plausible Geschichte eingefallen. Ich glaube, das hat sie noch wütender gemacht.«
    »Und das heißt?«
    »Das heißt Hausarrest bis März, sowohl tagsüber als auch abends, kein Comicladen, kein gar nichts. Nur ins Schwimmbad darf ich gehen, weil meine Mutter einen Gesundheitswahn hat und ihr körperliche Aktivität über alles geht, aber damit hat sich’s dann auch. Nicht einmal unser Festnetztelefon darf ich benutzen.« Letzteres wog für mich weniger schwer als die anderen Dinge: Ich war nie jemand gewesen, der stundenlang telefonierte.
    Oben auf dem Treppenabsatz angekommen, blieb Irene stehen und sah sich um.
    »Was

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