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Die zwei Monde: Roman (German Edition)

Die zwei Monde: Roman (German Edition)

Titel: Die zwei Monde: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luca Tarenzi
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dass ich patschnass war und keine Ahnung hatte, wo ich mich befand.
    An der Ecke einer viel befahrenen Straße lehnte ich mich an eine Mauer, suchte Schutz unter einem schmalen Vordach und wartete, bis ich mich in der Lage fühlte, normal zu sprechen. Dann hielt ich einen Passanten an und fragte nach der nächsten Metro-Haltestelle: Der Mann verschwendete eine gute Weile damit, voller Abscheu meine durchnässten Kleider und mein verstörtes Gesicht zu mustern, bevor er endlich meine Frage beantwortete.
    In der Metro beruhigte ich mich zumindest so weit, dass ich wieder klarer denken konnte. Ich hatte Rucksack und Jacke im Haus des Conte gelassen und kam also nicht umhin, dorthin zurückzukehren: Eigentlich hatte ich nicht die geringste Lust, den Conte schon wieder zu sehen, nicht in diesem Moment jedenfalls, aber mein Handy und die Hausschlüssel befanden sich in den Taschen meiner Lederjacke.
    Ich brauchte fünf Haltestellen, um zum Dom zurückzukehren. Unvorstellbar, dass ich so weit zu Fuß gelaufen war, ohne es zu merken. Als ich schließlich im immer dichter werdenden Regen vor dem Haus des Conte stand und nicht wusste, wie ich mich ohne Klingel bemerkbar machen sollte, öffnete sich auch diesmal die Tür ganz von allein.
    Woher konnte der Conte wissen, dass ich da war? Im Hausflur war weder eine Kamera noch eine Videosprechanlage zu sehen.
    In der Vorhalle, die dunkler war denn je, hallten meine Schritte wieder. Die anderen Male hatten die Lichter des Aufzugs wenigstens etwas Licht gespendet, aber diesmal wartete kein Aufzug auf mich, sondern meine Jacke und mein Rucksack, ordentlich auf dem Teppich gleich neben der Tür drapiert; auch ein Taschenschirm war dabei, der nicht mir gehörte.
    Ich nahm alles an mich und warf dabei einen Blick in den hinteren Teil der Halle, der im Dunkeln lag. Einen Moment lang zögerte ich und überlegte, ob ich doch noch hoch zur Wohnung des Conte gehen sollte, aber dann zog ich meine Jacke an und machte mich davon.
    Es war schon nach halb sechs und wurde dunkel; meine Mutter würde mich wahrscheinlich in einer halben Stunde zurückerwarten. Die Frage war nur, ob ich in diesem Zustand überhaupt nach Hause gehen konnte. Mein Spiegelbild im Schaufenster gab eine eindeutige Antwort: Wer auch immer mich so sehen würde, wüsste sofort, dass etwas nicht stimmte.
    Mein Blick wanderte von meinem bleichen Gesicht zu meinen Haaren, die sich in einem katastrophalen Zustand befanden, und blieb schließlich an dem Rucksack über meiner Schulter hängen: Eigentlich hatte ich alles dabei, was ich fürs Schwimmbad brauchte, und wenn ich es mir recht überlegte, war es nicht die schlechteste Idee, schwimmen zu gehen. Ein paar Bahnen, um die Nerven zu beruhigen, und eine heiße Dusche, um wieder wie ein normaler Mensch auszusehen, würden mir bestimmt guttun. Außerdem wäre es im Umkleideraum sicher so warm, dass meine Kleider wenigstens etwas trocknen würden.
    Als ich an der Schwimmbad-Haltestelle aus der Metro kam, hatte der Regen eine absurde Intensität erreicht und prasselte mit ohrenbetäubendem Getöse auf den Asphalt; sogar der Mailänder Verkehr, der mich um diese Tageszeit immer wieder durch seine Zähflüssigkeit überraschte, schien sich in Zeitlupe zu bewegen.
    Ich wollte gerade die Straße überqueren, als ein Junge ohne Regenschirm aus dem Schwimmbad kam und versuchte, sich mit einem Arm vor dem Wasser zu schützen. Dabei schaute er scheinbar zufällig in meine Richtung.
    »Veronica!«
    Ich blieb auf dem gegenüberliegenden Gehsteig stehen, während Ivan mit einem Lächeln im Regen auf mich zukam. Als er nur noch einen Meter von mir entfernt war, verschwand sein Lächeln.
    »Was ist passiert?«
    Ich wich seinem Blick aus. »Nichts.«
    »Willst du mich auf den Arm nehmen?«
    »Nein. Es ist nichts passiert.«
    »Quatsch! Man sieht doch, dass es dir nicht gut geht.« Er sah sich um und schien eine Idee zu haben. »Komm mit.«
    Ich warf einen Blick auf den Eingang des Schwimmbads. »Ich wollte eigentlich schwimmen gehen …«
    »Ein andermal. Das Schwimmbad läuft dir nicht weg.« Er warf einen Blick auf meine durchweichten Jeans. »Ich denke, für heute hattest du genug Wasser, meinst du nicht?«
    Bevor ich erneut protestieren konnte, legte er mir sanft, aber bestimmt eine Hand auf die Schulter: Eine Geste, die mich wohl aufmuntern sollte und nicht zu etwas drängen, das ich nicht wollte, aber mir war sowieso schon jede Lust zum Widerstand vergangen.
    Also folgte ich ihm durch die

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