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Die zwei Monde: Roman (German Edition)

Die zwei Monde: Roman (German Edition)

Titel: Die zwei Monde: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luca Tarenzi
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schließlich.
    Er lächelte. »Trink deine Schokolade. Du zitterst immer noch.«
    Wir blieben vierzig Minuten in der Bar, bis es für mich höchste Zeit wurde, nach Hause zu gehen. Ivan tat alles, um mich aufzuheitern: Er forderte mich auf, von der Schule zu erzählen und von den Comics, die mir gefielen, er redete über Musik, Filme und das Thema seiner Magisterarbeit, das er sich gerade ausgesucht hatte. Es ging um die Architektur spätantiker Krypten in der Provinz Mailand.
    Als wir endlich auf die Straße traten, war aus der Sintflut ein leichter, feiner Nieselregen geworden; es war immer noch sehr kalt, aber ich war ein gutes Stück trockener als vorher. Ivan trug meinen Rucksack in der Hand.
    »Willst du, dass ich dich zu Metro begleite?«, fragte er.
    »Nein, danke. Ich schaff das schon.« Ich lächelte ihn an, und es war gar nicht schwer. Wirklich nicht.
    Er hängte mir den Rucksack über die Schulter, beugte sich zu mir und küsste mich auf die Stirn. Ich tauchte in eine Woge seines Dufts, ein Geruch nach Sonne, Gras und Moos.
    »Du bist stark, Veronica«, sagte er ernst, aber mit einer großen Zärtlichkeit. »Man sieht das an allem, was du tust. Lass dich nicht von Verzweiflung und Angst übermannen: Es gibt nichts, womit du es nicht aufnehmen könntest. Und das du nicht besiegen könntest.«
    Auf seinem Gesicht zeigte sich eine Art Beben, so als würde etwas zerspringen: Ich sah, wie sich seine Augen mit einer immensen Traurigkeit füllten, und mit etwas anderem, das ich nicht definieren konnte. Vielleicht Wut. Aber es dauerte nicht mal eine Sekunde: Er verabschiedete sich hastig und ging mit schnellen Schritten in Richtung Parkplatz davon. Ich sah ihm nach, bis er in der Menge verschwunden war.
    Ich war allein zurückgeblieben, mit meinem Regenschirm in der Hand und dem Rucksack auf dem Rücken. Langsam strich ich mit dem Finger über meine Stirn: Da war noch immer die Wärme seiner Lippen auf meiner Haut.
    Ich schauderte, aber nicht vor Kälte.

    Bis zum Abendessen war ich wieder soweit hergestellt, dass meine Mutter nichts zu merken schien; nur mein Vater observierte mich, wie immer schweigend, aber inzwischen hatte ich mich auch daran gewöhnt.
    Nach dem Essen legte mich auf mein Bett und dachte lange über Ivans Worte nach, und auch über die des Conte.
    Ja, beschloss ich am Ende: Ich war zu schnell am Verzweifeln. Die Angst hatte gesiegt, aber nur im ersten Moment. Es wird von dir abhängen , hatte der Conte gesagt. Davon, wie sehr du es zu kontrollieren wissen wirst . Ich hatte mich normalerweise gut im Griff; es war das, was ich am besten konnte. Also würde ich lernen, auch meine neue Situation unter Kontrolle zu bekommen: Ich würde den Fluch beherrschen. Denn mein Leben gehörte mir, und nicht irgendeinem Monster, das Jahrhunderte später wiederauferstanden war. Mir ganz allein.
    Ich rappelte mich auf, schaltete den Computer ein und öffnete sowohl Google als auch ein Word-Dokument. Ich musste mir Notizen machen, präzise und durchdachte Fragen vorbereiten, die ich dem Conte stellen konnte. Erst dann würde ich in der Lage sein, eine Strategie zu entwickeln.
    Ich arbeitete fast bis Mitternacht, dann war ich auf einen Schlag so erschöpft, dass ich beschloss, ins Bett zu gehen. Ich fühlte mich aber schon ein gutes Stück hoffnungsvoller als vorher.
    Als ich das Licht gelöscht hatte, fiel mir wieder ein, dass mich am nächsten Tag in der Schule die Konfrontation mit Alex, Angela und dem Rest erwartete: alles Gespenster, die zweifellos in die Gegenwart gehörten.

K apitel 15
    Mittwoch, 18. Februar
    Abnehmender Mond
    A m nächsten Morgen sickerte ein wenig Sonnenlicht durch die Wolken. Ich hatte gut geschlafen und fühlte mich ausgeruht. Ein toller Anfang.
    Ich fischte ein Paar hellblaue Jeans, eine perlgraue Bluse und weiche Stiefeletten aus dem Schrank; dann bürstete ich mir mit aller Kraft die Haare, legte einen Hauch Make-up auf und steckte mir wieder die Mondsichel-Ohrringe in die Ohrläppchen. Aus dem Spiegel sah mir eine zwar blasse, aber wenigstens nicht totenbleiche Veronica entgegen, die gefasst und vielleicht sogar entspannt wirkte. Ich lächelte.
    Als ich in der Schule ankam, hatte ich, was Alex anging, schon eine Entscheidung gefällt: Ich würde ihn einfach ignorieren. Er hatte mit mir seit Tagen dasselbe getan.
    Und was noch schlimmer war: Seiner Meinung nach war ich an jenem Abend auf dem Fest völlig betrunken gewesen. Aber als ich geflüchtet war (schlimm genug, daran zu

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