Die Zwei Schwerter, Band 2: Die Rückkehr der Elben (German Edition)
lange Zeit und mehr von seinem Wissen in Anspruch genommen, denn er ist hilfsbereit und liebenswürdig zugleich.“
Der Fürstensohn lächelte verständig und sah sich anschließend in der Stube um, die seit vier Wochen seine Behausung war und die er bis zu diesem Zeitpunkt doch noch kein einziges Mal betrachtet hatte. Die Wände waren aus grob zusammengezimmerten Holzbohlen, und die Querbalken unter der Decke hingen tief. Spinnweben saßen in manchen Ecke. Das einzige Fenster saß merkwürdig hoch an der Wand zu seiner Linken und war überaus schmal, nicht mehr als ein großer Schlitz. Ein helles Laken war auf der Innenseite davor befestigt und ließ nur einen matten Pfeil Tageslicht durch die Öffnung hinein. Dort, wo der Sonnenstrahl auf die Dielen traf, stieg eine Fontäne aus Staubflocken zur Decke empor. Ansonsten war die Einrichtung des Zimmers zwar dürftig und alt, aber auch praktisch und gemütlich. Ein Sofa mit weinrotem Polsterbezug stand an der Wand neben der einzigen Eingangstür, und darüber hing ein Bild, das eine blaue Meereslandschaft zeigte. Neben seinem Bett befand sich ein zerkratztes Tischchen aus dunklem Holz mit mehreren, teilweise heruntergebrannten Kerzen darauf.
„Während der letzten Wochen habe ich viel Zeit damit verbracht, das Haus zu säubern. Du glaubst nicht, wie es hier vorher ausgesehen hat, und du kannst dir nicht vorstellen, wieviel unnützes Zeug sich in einer solch kleinen Hütte ansammeln kann“, sagte die Prinzessin. Das liebliche Gesicht, das von ihrem langen, glänzenden schwarzen Haar eingerahmt wurde, gab vor, frei von Sorgen zu sein, doch Arnhelm erkannte, dass es mitnichten so war.
Der Rhodrim versuchte, seinen rechten Arm stärker zu heben als zuvor, doch war dies nur bis zu einem gewissen Punkt möglich. Die Beweglichkeit des Körperteils war noch längst nicht wieder vollständig hergestellt, und auch ein dumpfer Schmerz, der sich anfühlte, als lägen eisige Klauen auf seinem Fleisch, war noch immer vorhanden.
„Wie hat dein Vater den Tod deines Bruders verkraftet?“, fragte er schließlich, während er nach der Hand der jungen Frau griff. „Ich vermag mir wahrlich kein schlimmeres Schicksal vorzustellen als den Tod des eigenen Kindes.“
Merian senkte den Kopf. In ihren Augenwinkeln, die sie verbarg, begann es feucht zu glitzern. „Deine Gefährten haben mir alles erzählt. Und mein Vater selbst hat mir einige Zeit nach Eurem Aufbruch gestanden, dass er Aidan den Auftrag gab, das Goldene Schwert zu seinenHänden zu bringen. Ich habe ihm für meinen Teil verziehen, denn er ist mein Vater und ein guter Mensch, wenn man ihn so kennt, wie ich es tue. Aber ich fürchte, er selbst kann den Schmerz und die Schuld, die er sich aufgeladen hat, nur schwerlich überwinden, und dies ist doppelt schlimm, denn mein Volk braucht einen starken König gerade in dieser schwierigen Zeit.“ Sie schluckte und hielt für einen Augenblick inne. Dann kehrten ihre Kräfte und ihr Stolz in sie zurück, und sie erhob ihr Haupt und fuhr fort, dem Fürstensohn nun geradewegs in Gesicht schauend. „Wenn Lotan mit seinen Befürchtungen Recht hat, dann war die Schlacht gegen die Orks nicht der letzte Sieg, den wir erringen müssen, sondern erst der Beginn eines noch viel größeren Krieges. Und ich werde hoffen während all den Tagen, die vor uns liegen, dass es für dich und mich am Ende einen Weg geben wird, vereint zu sein.“
Der blondhaarige Rhodrim fühlte den Zauber, der von ihrer Stimme ausging und war ergriffen davon. Mühevoll schob er sein Gesicht nach vorne und näherte sich ihr unwillkürlich. Wie von selbst erwiderte sie seine Annäherung, und ihre Lippen fanden sich und küssten sich für eine ganze Weile. Dann zuckten sie beide zurück, so als erwachten sie aus einem Traum, der unendlich wundervoll und wohltuend, jedoch gleichermaßen unwirklich und zerbrechlich war.
„Es gibt keine andere Möglichkeit, als dass wir uns wieder trennen müssen für eine ungewisse Zeit, mein Herz“, sagte die Tochter Kherons. „Deine Mutter hat mehrfach Nachricht hierher geschickt, denn sie möchte dich sehen sobald wie möglich, und mein Vater hat mich wissen lassen, dass die Anwesenheit von dir und deinen Freunden in seiner Stadt nicht länger erwünscht ist. Du musst ihn verstehen, der Schmerz über seinen Verlust ist noch allzu frisch. Und da meine Mutter ebenso geschwächt und verwirrt über das Geschehene ist, brauchen meine Eltern mich hier dringender denn je, sodass ich
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