Die Zweierbeziehung
Ehe passiv zu verhalten und sich bemuttern zu lassen.
Die auf beiden Seiten vorgegebenen persönlichen Motivationen zur Partnerwahl entsprachen sich also sehr genau. Wie konnte es nun überhaupt zur Krise kommen?
In bewusster Gegenidentifikation gegen ihre Mutter hatte die Frau sich bemüht, alles zu tun, um klein, schwach und hilflos zu sein und sich auf passiv-feminines Verhalten zu bescheiden, obwohl das ihrer Natur gar nicht entsprach. Schon rein äußerlich hatte sie einen grobknochigen Körperbau, männliche Gesichtszüge, die sie mit langen Haaren, schief gehaltenem Kopf und hauchender Stimme zu überspielen versuchte. Sie war bemüht, ihre unterdrückten männlichen Strebungen dem Mann abzutreten. Im Laufe der Ehe kam es aber zur Wiederkehr des Verdrängten. Forciert rief sie dem Mann immer zu: «Du bist doch der Mann!», und unterdrückte ihre aktiven Tendenzen noch mehr, indem sie noch stärker regredierte, sich noch hilfloser gebärdete und schließlich als Ausdruck ihrer Schwäche eine funktionelle Beinlähmung entwickelte. Ihre Ansprüche auf Pflege und Stützung wurden immer maßloser und nahmen den Charakter von «Kastrationsverhalten» an, einem Verhalten, das den Partner zum männlichen Versager machen soll. Der Mann fühlte sich von ihren Erwartungen überfordert. In dieser Zeit traten seine Potenzstörungen auf. Damit war es auch beim Mann zur Wiederkehr des Verdrängten gekommen. Er war mit dem Anspruch in die Ehe getreten, sich männlich zu bewähren. Im längeren Zusammenleben verstärkte sich seine vorbestehende Angst, als Mann zu versagen und so das Schicksal seines Vaters zu wiederholen. Um diese Angst zu bannen, bemühte er sich immer angestrengter um Bewährung in ritterlichen Funktionen, wozu er die Frau klein und hilflos halten musste.
In der Überforderung, die er sich selbst auferlegte und die den Forderungen der Frau entsprachen, brach er aber schließlich zusammen und verfiel in kindlich-hilfloses Gebaren. Er verhielt sich tölpelhaft, um seine Frau zu zwingen, ihm gegenüber Mutterfunktionen zu übernehmen und ihn so wie seine Mutter zurechtzuweisen.
Das Paar regredierte immer mehr. Die Partner überboten sich mit Krankheit, Hilflosigkeit und Verzweiflung, bis sie in Behandlung kamen. Statt aktiv zu rivalisieren, wollten sie sich nun in ihrer Schwäche übertrumpfen.
Im Laufe der Behandlung kam es zunächst zur Rollenumkehr. War ursprünglich der Mann in der Rolle des Fürsorgers und die Frau in der Rolle der Hilflosen, so fing sich jetzt die Frau als Erste, machte sich von ihrem Mann unabhängiger und stellte sich auf eigene Füße. Sie wurde schwanger von ihm. Sie ließ ihn nun spüren, dass sie mit dem Kind zusammen eine symbiotische Mutter-Kind-Einheit bilden und ihn nicht mehr benötigen werde. Der Mann regredierte zunächst noch mehr. Kurz vor der Geburt, in hochsommerlicher Hitze, zog er sich eine Erkältungskrankheit zu, ließ sich im Bett von der Frau pflegen und erschien mit dickem Wollschal zur Therapiestunde. Im Geschäft zeigte er kindlichen Trotz und lief mitten aus der Arbeit nach Hause, um sich von der Frau trösten zu lassen. Hatte er bis zum 18. Altersjahr an Bettnässen gelitten, so hatte er jetzt Träume, in denen er die ganze Welt anpisste. Nach der Geburt des Kindes wollte er täglich sexuell «gestillt» werden, als wäre er der Säugling, der nach der Mutterbrust verlangte. Aber seine Frau versagte ihm mütterliche Zuwendung und verachtete ihn in seinem regressiven Verhalten.
Allmählich fing sich auch der Mann wieder und begann, seine Vaterpflichten wahrzunehmen und auch beruflich «seinen Mann zu stehen». Sexuell wurde er wieder voll potent. Die Beziehung wurde sachlicher. Jedes war autonomer geworden und hatte die Ansprüche an den Partner heruntergeschraubt. Die Frau fühlte sich als Mutter glücklich und gebar bereits ein Jahr später wieder, diesmal Zwillinge. Im Umgang mit den Kindern fand sie ihre Identität als Frau und konnte auch ihren Mann, obwohl er weiterhin noch etwas infantil blieb, akzeptieren. Er überwand seine Eifersucht auf die Kinder und nahm seine männlichen Möglichkeiten besser wahr. Er konnte aber auch besser zu seinen männlichen Schwächen stehen, ohne diese dauernd überkompensieren zu müssen.
Dieses Beispiel zeigt, wie Paarkonflikte auf einer gleichartigen Grundstörung beider Partner beruhen können. Beide Partner hatten eine ähnliche Erfahrung mit der Ehe ihrer Eltern und damit ein
ähnlich verzerrtes Bild von ihrer
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