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Die Zweierbeziehung

Die Zweierbeziehung

Titel: Die Zweierbeziehung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürg Willi
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wichtig.
     
    Die beiden hier besprochenen theoretischen Ansätze der Paartherapie, der psychoanalytische und der kommunikationstherapeutische, vermögen über den Partnerkonflikt dieses Paares Wichtiges auszusagen. Mit dem Konzept der Kollusion Einführung in das Kollusionkonzept möchte ich nun versuchen, wichtige Aspekte dieser Ansätze in ein übergeordnetes Ganzes zu integrieren.
    Nach dem
Konzept der Kollusionstherapie
ist eheliches Verhalten eines Individuums zwar wesentlich von seiner persönlichen Vorgeschichte determiniert (genetischer Aspekt der Psychoanalyse); in seinem Manifestwerden ist eheliches Verhalten aber auch wesentlich vom verstärkenden oder dämpfenden Verhalten des Partners bestimmt (Kommunikationstheorie), wobei das verstärkende oder dämpfende Verhalten des Partners seinerseits wieder durch dessen persönlichen Hintergrund motiviert ist. Besonders verhängnisvoll muss sich auswirken, wenn eine ungünstige persönliche Entwicklungsbereitschaft durch eine gleichlaufende Tendenz vonseiten des Partners aufgeschaukelt wird. Nun lässt sich am vorliegenden Beispiel beobachten, dass sich im unlösbaren Paarkonflikt eine derartige Entsprechung neurotischer Strukturen findet,
das heißt, dass sich bei beiden Partnern eine gleichartige Grundstörung bezüglich des Ehekonfliktes nachweisen lässt, die sie aber in verschiedenen Rollen austragen.
Die Partner fördern sich gegenseitig in ihrem Verhalten und spielen sich auf ein unbewusstes Arrangement, auf eine
Kollusion
ein. Sie tun dies, obgleich sie bewusst mit der Partnerwahl das Gegenteil intendierten, nämlich ihre schon vorher bestehende Störung miteinander zu bewältigen. Um den aktuellen Ehekonflikt zu verstehen, scheint mir wichtig, auf die Partnerwahl zurückzugehen, denn die Verbitterung im jetzigen Streit hat ihre eigentliche Wurzel in der Enttäuschung bezüglich der Vorstellungen und Ideale, die beide Partner bei der Eheschließung miteinander teilten.
    Beschäftigen wir uns zunächst mit der
Kollusion der Partnerwahl
dieses Paares:
    Das Paar lernte sich in einem Studentenrestaurant kennen. Ernst, der bis dahin Frauen gegenüber schüchtern und zurückhaltend gewesen war, sah seine zukünftige Frau am Nebentisch mit einer Kollegin sprechen. Sie machte ihm einen sanftmütigen und ausgesprochen femininen Eindruck. Es überkam ihn der Mut, aufzustehen und dieses Mädchen zu einem Kaffee einzuladen. Sie war überrascht über seine Kühnheit und sah darin Ausdruck «männlichen» Selbstbewusstseins. Die forsche Art des jungen Mannes imponierte ihr, und sie leistete der Einladung Folge. Die beiden Partner verliebten sich rasch ineinander.
    Er wählte bewusst die scheinbar sanfte, anlehnungsbedürftige «Feminine», durch die er sich in seiner «Männlichkeit» bestärkt fühlte.
    Sie wählte den scheinbar selbstsicheren, «männlichen» Mann, an dem sie Stütze und Halt zu finden hoffte.
    Wie erwähnt trat der Mann in die Beziehung ein mit der ungelösten Bindung an seine überfürsorgliche, ihn unselbständig haltende und «kastrierende» Mutter. Sein dringlicher Wunsch war, eine Frau zu finden, der gegenüber er sich männlich bestätigen könnte und die nicht ihn bemuttern würde, sondern die er bemuttern könnte. Seine Angst vor der Ehe war, es könnte zur Wiederholung der Elternehe kommen, er könnte genauso ein schwächlicher Versager wie sein Vater sein. Seine Frau schien ihm in ihrer Hilflosigkeit und Anlehnungsbedürftigkeit eine sichere Gewähr gegen diese Gefahr zu bieten, indem sie ja seine Männlichkeit verstärkte und keine Anstalten machte, ihn zu bemuttern, sondern vielmehr von ihm mütterliche Fürsorge erwartete.
    Die Frau trat in die Ehe ein mit einem ungelösten sexuellen Identitätsproblem. Sie bemühte sich forciert um «weibliches» Verhalten aus Gegenidentifikation gegen ihre herrische Mutter. Sie hatte sich im häuslichen Milieu stark frustriert gefühlt und ersehnte sich für die Ehe Geborgenheit und Zärtlichkeit wie auch Halt und Umsorgtwerden. Ihre Angst im Blick auf eine Ehe war ebenfalls die Wiederholung der Elternehe, nämlich dass sie selbst so dominant und gefühlskalt werden könnte wie ihre Mutter. Ihr Mann schien ihr eine sichere Gewähr gegen diese Gefahr zu bieten, da er von Anfang an ihr gegenüber eine aktive, mütterliche und fürsorgliche Haltung einnahm und sie verwöhnte. Ihre bewusste Motivation zur Partnerwahl war das Leitbild, eigene «männliche» Tendenzen dem Mann abzutreten und sich in der

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