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Die Zweierbeziehung

Die Zweierbeziehung

Titel: Die Zweierbeziehung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürg Willi
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eigenen Geschlechtsrolle wie von derjenigen ihres Partners.
Beide hatten herrische Mütter und schwache Väter. Beide wählten bewusst als Partner das Gegenteil des gegengeschlechtlichen Elternteils, unbewusst aber einen Partner, der gerade diesem Elternteil sehr ähnlich war. Beide wollten in überkompensierender Weise die Wiederholung der elterlichen Ehe vermeiden, beide glitten aber gerade durch die übersteigerte Abwehr in ein ganz ähnliches Beziehungsmuster hinein. Wir sehen, wie eine gleichartige neurotische Grundeinstellung beider Partner die Basis des Ehekonfliktes bildet. In psychoanalytischer Terminologie: Beide litten an einem Kastrationskomplex mit der Neigung, auf orale Objektbeziehungen zu regredieren. Die Frau sublimierte ihre Männlichkeitsbestrebungen, indem sie diese auf den Mann verlegte und sich betont weiblich hilflos verhielt. Der Mann andererseits verdrängte seine ausgeprägt «passiv-femininen» Tendenzen, die er nun ganz seiner Frau zuschrieb, umso angstfreier die angestrebte Mannesrolle zu erfüllen. Im Laufe des längeren Zusammenlebens brach die Scheinweiblichkeit der Frau zusammen, und ihre verzweifelten Bemühungen, die eigenen Männlichkeitsbestrebungen mit immer regressiverem Verhalten zu unterdrücken, führten zu einer Überforderung der Männlichkeit des Mannes. Der Mann konnte seine Scheinmännlichkeit nicht aufrechterhalten, weil seine früheren Ängste vor männlichem Versagen und seine eher weiblichen Tendenzen im Zusammenleben mit einer seiner Mutter im Grunde recht ähnlichen Frau aktualisiert wurden.
    Die wichtigsten Gesichtspunkte der bisherigen Darstellung:
    Kollusion meint ein uneingestandenes, voreinander verheimlichtes Zusammenspiel zweier oder mehrerer Partner aufgrund eines gleichartigen, unbewältigten Grundkonfliktes.
Der gemeinsame unbewältigte Grundkonflikt wird in komplementären Rollen ausgetragen, was den Eindruck entstehen lässt, der eine Partner sei geradezu das Gegenteil des anderen. Es handelt sich dabei aber lediglich um polarisierte Varianten des gleichen.
Die Verbindung im gleichartigen Grundkonflikt begünstigt in Paarbeziehungen beim einen Partner progressive (überkompensierende), beim anderen Partner regressive Selbstheilungsversuche.
Dieses progressive und regressive Abwehrverhalten bewirkt zu einem wesentlichen Teil die Anziehung und dyadische Verklammerung der Partner. Jeder hofft, von seinem Grundkonflikt durch den Partner erlöst zu werden. Beide glauben, in der Abwehr ihrer tiefen Ängste durch den Partner so weit gesichert zu sein, dass eine Bedürfnisbefriedigung in bisher nicht erreichtem Maße zulässig und möglich wäre.
Im längeren Zusammenleben scheitert dieser kollusive Selbstheilungsversuch wegen der Wiederkehr des Verdrängten bei beiden Partnern. Die auf den Partner verlegten (delegierten oder externalisierten) Anteile kommen im eigenen Selbst wieder hoch.
    Diese sehr gedrängten Definitionen sind jetzt noch etwas schwer verstehbar. Sie sollen in den folgenden Kapiteln dem Leser klarer und vertrauter werden.

[zur Inhaltsübersicht]
5. Die Grundmuster des unbewussten Zusammenspiels der Partner
    5.1. Die vier Kollusionsmodelle von 1975 Kollusionsmodelle 1975, Grundmuster
    Bei Kollusionen handelt es sich um neurotische Beziehungsstörungen. Der Begriff «neurotisch» ist allerdings in der Psychiatrie und Psychotherapie nicht mehr allgemein anerkannt. Gemeint ist, dass der Konflikt, den ein Paar zeigt, nicht nur in der aktuellen Beziehungssituation begründet ist, sondern einen lebensgeschichtlichen, in der Persönlichkeit verankerten Hintergrund hat. Auch wenn es nicht notwendig ist, in jedem Fall diese neurotischen Hintergründe therapeutisch zu bearbeiten, und es oftmals leichter gelingt, eine partnerschaftliche Störung auf der Verhaltensebene direkt anzugehen, ist es trotzdem für den Therapeuten von Vorteil, wenn er die möglichen tieferen Hintergründe einer Beziehungsstörung zu verstehen vermag.
    In der Erstausgabe dieses Buches (1975) habe ich vier Kollusionsmodelle beschrieben. Im Jahre 2002 habe ich dann das Kollusionskonzept um drei weitere Modelle erweitert, durch die Kollusion der Bindung, die Kollusion der Liebessehnsucht und die Kollusion des sexuellen Begehrens. Damit kann gezeigt werden, dass Kollusionen ganz verschiedene Bereiche des Liebeslebens thematisieren.
    Eine Liebesbeziehung bietet in der Regel die Erfüllung tiefer Beziehungswünsche an, was beide Partner beglückt. Gleichzeitig löst die Erfüllung der

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