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Die Zweierbeziehung

Die Zweierbeziehung

Titel: Die Zweierbeziehung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürg Willi
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fühlt sich auf die Dauer durch die Verwöhnung des progressiven Partners kleingemacht und infantilisiert. Er möchte sich ebenfalls in progressiven Funktionen bestätigt und geachtet fühlen. Nun stellt er aber fest, dass der progressive Helfer ihn klein und abhängig halten will und seine Hilfe keineswegs dazu dient, dem regressiven Partner zu helfen, sich selbständig zu helfen. Der progressive Partner versucht, dem Regressiven alles abzunehmen, mit der Bemerkung, er könne schnell und leicht alles bewältigen, was der regressive nicht zustande bringe, er meine es ja nur gut mit ihm und wolle ihm nur helfen. Der regressive Partner möchte die Hilfe des Progressiven reduzieren, aber nicht völlig verlieren. Zwar regt er sich über den Progressiven auf, weil er sich von ihm nicht ernst genommen fühlt, stellt fest, dass der Progressive einen unselbständigen Hilflosen braucht. Er ertrage es gar nicht, einen kompetenten Partner zu haben. Der Progressive meint, die Ungeschicklichkeit des Regressiven sei so tief verankert, dass er – realistisch gesehen – gezwungen sei, ihm alles aus den Händen zu nehmen.
    Diese Polarisierung in progressive und regressive Rolle findet man in allen vier Kollusionsmodellen. Sie wird in den entsprechenden Kapiteln eingehend besprochen.
     
    Was war 1975 neu am Kollusionskonzept?
    Als dieses Buch erstmals erschien, schlug es wie eine Bombe ein. Offensichtlich war die Zeit reif, mithilfe des Kollusionskonzeptes ein neues Verständnis für Paarkonflikte zu gewinnen. Von gesellschaftlicher Bedeutung war wohl das Wichtigste die
50-Prozent-Regel der Verursachung von Paarkonflikten
. Bis dahin war insbesondere auch juristisch üblich, zwischen einem schuldigen und einem unschuldigen Partner zu unterscheiden. Diese Unterscheidung lässt sich nach dem Kollusionskonzept nicht aufrechterhalten, da die Kollusion von beiden ungefähr zu 50 Prozent verursacht wird.
    Die Partner sind Komplizen in einem gemeinsamen Grundkonflikt, den sie in verteilten Rollen austragen. Zumindest in der Anfangsphase ermöglichen sich die beiden Partner eine gesicherte Befriedigung von Bedürfnissen, die üblicherweise mit Angst besetzt sind. Solange beide den Eindruck haben, sie hätten die Kontrolle über den Partner, trauen sie sich eine Beziehungsform zu, die ihnen ohne die Absicherung durch die Kollusion nicht möglich wäre.
    Das Kollusionskonzept war das erste Modell für die Integration systemischer und psychodynamischer Aspekte von Paarkonflikten.

5.3. Liebe als Einswerden in vollkommener Harmonie Harmonie-Ehe in der narzisstischen Kollusion Narzisstische Kollusion
    Narzisstische Charaktere; Mutter-Kind-Erfahrungen des Narzissten; Formen narzisstischer Partnerbeziehungen; Komplementärnarzissten als Partner von Narzissten. Die narzisstische Ehe; die narzisstische Partnerwahl; der Umschlag zum narzisstischen Paarkonflikt. Zusammenfassende Aspekte der narzisstischen Kollusion.
    Die Thematik, die das Paar in der narzisstischen Kollusion beunruhigt, ist die Frage, inwiefern Liebe die Selbstaufgabe für den Partner erfordert oder einem ermöglicht, man selbst zu bleiben. Eine andere, ergänzende Frage lautet: Kann der Partner als ein Wesen mit eigener Autonomie wahrgenommen werden oder lediglich als Erweiterung und Ausläufer des eigenen Selbst?
    Im narzisstischen Stadium der seelischen Entwicklung, das heißt etwa in den ersten sechs Lebensmonaten, sind nach psychoanalytischer Auffassung die Grenzen zwischen Selbst und Umgebung noch nicht klar definiert, und es besteht die Vorstellung vollkommener Einheit mit dem Liebesobjekt.
    Klinisch kennt man Krankheitsbilder, die als extreme Ausformungen narzisstischer Störungen betrachtet werden können, wie Schizophrenie, manisch-depressives Kranksein, Charaktervarianten wie Verwahrlosungsstruktur, Asozialität und hysterische Psychopathie. In psychotischen Zuständen kann es zu einer phantasierten Fusion zwischen Selbst und Objekt kommen, zu Persönlichkeitsverlust, Fremdheitsgefühl gegenüber dem eigenen Selbst wie auch gegenüber der Umgebung (Depersonalisation, Derealisation). Das Ich ist unfähig, sich selbst als konturierte, wahrnehmbare Struktur der Außenwelt gegenüberzustellen, es kommt zu einem Verlust der Ich-Grenzen.
    Mildere Formen von narzisstischen Störungen spielen in ehelichen Beziehungsproblemen eine besondere Rolle. Bevor ich auf die narzisstische Kollusion in der Ehe eingehe, möchte ich die narzisstische Charakterstruktur beschreiben, dann die

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