Die Zweierbeziehung
Minderwertigkeitsgefühlen kaum als Vorbild dienen konnte. Hysterische Frauen fühlten sich oft auch ihren Brüdern gegenüber zurückgesetzt.
So finden wir meist klar umschreibbare Schwierigkeiten in der frühen Kindheit, die diese Frauen in der Bewältigung des Ödipus- und Kastrationskonflikts behinderten. Im Gegensatz zum sogenannten Mannweib, das sich äußerlich männlich kleidet und verhält und in eine gleichartige Rivalität zu den Männern tritt, verarbeitet die hysterische Frau den Konflikt in anderer Weise. Sie unterdrückt bewusst alle Bedürfnisse nach Entfaltung männlicher Aktivität und bescheidet sich forciert auf weibliche Passivität. Ihre Mentalität ist: «Gut, dann bin ich eben nur eine minderwertige Frau. Dann darf man aber an mich auch keine Ansprüche stellen. Der Mann soll sich überall als Mann ausweisen und sich als Mann gegenüber der schwachen Frau bewähren. Wollen wir sehen, ob er wirklich so stark ist!» Sie beschränkt sich trotzig auf eine passiv-feminine Haltung und stellt ihre weibliche Schwäche dem Mann provozierend zur Schau mit der heimlichen, meist unbewusst gehaltenen Phantasie, sich damit an ihm zu rächen. Obwohl sie sich als Sex-Weibchen gibt, verachtet sie sexuell triebhafte Männer und verschafft sich Befriedigung, indem sie einen dieser Männer erst anlockt, um ihn brüsk und unvermittelt gerade dann abzuweisen, wenn er sich nahe am Ziel glaubt. Für eine stabile Beziehung kann sie sich jedoch nur einen asexuellen Mann vorstellen, der weder ihren unbewältigten «Penisneid» noch ihren Ödipuskomplex anregt, sondern diese Konflikte eher entschärft.
Die Regression auf passive Bedürfnisse wird ferner durch eine prägenitale Fixierung gefördert. Wie schon F REUD betont, verdeckt die starke Vaterbindung nur die noch stärkere Mutterbindung. Aus ihrer oralen Fixierung wünscht sie sich einen Mann, der ihr gegenüber mütterliche Aktivität entfaltet und sie so in einer infantil-passiven Haltung bestärkt.
Der hysterophile Mann Hysterophiler Mann
Der Mann der hysterischen Frau wirkt nach außen hin meist angenehm, eher schüchtern, etwas lahm und harmlos, als lieber guter Kerl. Die meisten dieser Männer wuchsen als verzärtelte Muttersöhnchen auf. Manche lebten als Erwachsene bis zur Eheschließung mit der Mutter zusammen und heirateten erst spät. Ihre Mütter werden überwiegend als possessive, aktive und phallische Persönlichkeiten geschildert, neben denen die unscheinbaren und blassen Väter eine auffallend nichtssagende Rolle innehatten. Ein offenes Rivalisieren mit dem schwachen Vater wirkte für diese Männer schulderzeugend. Auch die Mütter duldeten keine Entfaltung sadistisch-aggressiver oder phallisch-exhibitionistischer Tendenzen, sondern förderten bei diesen Männern eine dienend-ritterliche Haltung Frauen gegenüber. Zugelassen wurden nur Triebe mit passivem Ziel, Verlangen nach Wärme, Gestreicheltwerden, Geschütztwerden usw. Die Regression auf diese frühinfantile Haltung ließ den offenen Austrag des positiven Ödipuskonfliktes vermeiden.
Das Aufgeben der passiven Abhängigkeitshaltung der Mutter gegenüber fällt diesen Männern schwer. Zur Abwehr ihrer Muttergebundenheit entwickeln sie überkompensierende Aktivitäten wie etwa Begeisterung für Sportarten, die Beweis besonderer Männlichkeit sein sollen, insbesondere waghalsiges Klettern in den Bergen, Fallschirmspringen oder Fliegen, Sportarten, die als Überwindungs- und Ablösungsversuche einer unbewältigten Mutter-Erd-Gebundenheit verstanden werden können. Um den Verlust der Mutter ersetzen zu können, identifizieren sie sich mit ihr und verspüren nun ein Bedürfnis nach einer Frau, die sie so behandeln wollen, wie sie selbst von ihren Müttern behandelt zu werden wünschten. Aus Abwehr ihres Bedürfnisses nach Pflege und Bemutterung wollen sie anderen Mutter, Pfleger und Helfer sein. Sie wollen sich in der Ehe aufopfern, um dafür in der dankbaren Achtung der Familie aufgehoben zu sein. Sie halten sich für unentbehrlich und machen sich zum Alleinverantwortlichen für das Gelingen der Ehe. Aus ihrer Selbstwertproblematik heraus suchen sie Bestätigung als Zentrum von Ehe und Familie. Eigene Ansprüche auf Befriedigung passiver Bedürfnisse werden für die Ehebeziehung verleugnet, würde deren Stillung doch die Gefahr erneuter Abhängigkeit von einer Mutterfigur bedeuten und als Zeichen eigener Schwäche und Unselbständigkeit gewertet. Die überkompensierende Abwehrhaltung richtet
Weitere Kostenlose Bücher