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Die Zweierbeziehung

Die Zweierbeziehung

Titel: Die Zweierbeziehung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürg Willi
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sich also gegen die eigenen passiv-femininen Strebungen (die ihrerseits wieder Abwehr der unbewältigten ödipalen und Kastrationsproblematik sein können).
    Der hysterophile Mann hat vorehelich meist wenig sexuelle Erfahrungen gehabt. Das Sexuelle ist ihm in einer Partnerbeziehung nur von sekundärer Bedeutung. Oft scheint er sich bei den Frauen gleichsam wegen des kleinen anatomischen Unterschiedes entschuldigen zu wollen mit der Versicherung, dass er daraus keinerlei Vorteile ziehen und schon gar nicht irgendwelche Überlegenheit ableiten möchte. Er will der Frau bedeuten: «Sexuell brauchst du dich vor mir nicht zu fürchten, ich werde dir sicher nichts antun, aber wenn du mich als Helfer und Heiler in deine Dienste nehmen willst, so bin ich immer zur Stelle.»
    Im Gegensatz Neurotischer Paarkonflikt zur hysterischen Frau ist der hysterophile Mann ausgesprochen exhibitionsgehemmt. Er wirkt bescheiden und zurückhaltend und möchte scheinbar kein Aufheben von sich machen. Und doch lässt sich gerade bei diesem Mann ein Exhibitionsbedürfnis nachweisen, das im Sinne einer altruistischen Abtretung auf die Frau verschoben wird. Er hat einen ausgesprochenen Drang, die Situation seiner Frau zu dramatisieren. Er möchte sie als ein völlig einmaliges, in nichts vergleichbares Geschöpf sehen, das jenseits der sonst allgemein gültigen Anforderungen steht. Die von der Frau gestalteten Szenen werden von ihm aufgeschaukelt; er schürt eine allgemeine Aufregung und veranstaltet um die Frau herum einen großen Wirbel, was ihm die Gelegenheit gibt, sich in seinen Helfer- und Retterfunktionen zu bewähren. Man kann diesen Mann in seiner Ausrichtung auf die hysterische Frau als
hysterophil
bezeichnen.
     
    Verlauf der hysterischen Ehe Hysterische Ehe
    Im Zeitpunkt der Begegnung befindet sich die Frau häufig in einer äußerlich unglücklichen Situation, in der sie dringend der rettenden Unterstützung eines Mannes bedarf. Oft handelt es sich um eine unglückliche Liebschaft, oft um eine ungelöste Elternbindung. Wiederholt ist ihre Verliebtheit in dem Moment geschwunden, wo sie sich auf eine Heirat hätte festlegen sollen. Unter dem Druck der Umgebung und im Versuch, diesen ihr selbst unverständlichen Wiederholungen ein Ende zu setzen, unternimmt sie einen forcierten Versuch, endlich einmal einen Strich unter ihre Ausflüchte zu ziehen und «Vernunft anzunehmen». Wenn sie sich auch nicht verliebt fühlt, entschließt sie sich jetzt doch zur Heirat in der trügerischen Erwartung, die Liebe werde sich dann von selbst einstellen.
    Zur Rettung dieser Frau aus ihrer Verstrickung und ihren Nöten fühlt sich der hysterophile Mann in besonderem Maße berufen, drängt er doch darauf, sich an einer schwierigen Aufgabe zu bewähren. Er fühlt sich auch erleichtert durch die Bemerkung der Frau, dass das Sexuelle in ihrer Beziehung zu ihm keine besondere Rolle spiele, dass sie ihn vielmehr wähle, weil er Sicherheit und Vertrauen ausstrahle, ja, dass sie im Grunde einen Ekel vor triebhaften Männern empfinde, die wie Tiere nur die sexuelle Befriedigung bei der Frau suchten. Der hysterophile Mann fühlt sich beruhigt, dass von ihm nicht sexuelle Potenzbeweise erwartet werden, sondern sozial-psychologische Bewährung in der schwierigen Aufgabe an der Frau. Er wittert bei dieser Frau die Chance, bestehen zu können, weil er spürt, dass diese Frau zeitlebens Halt und Schutz brauchen wird. Seine Frau in Dankbarkeit an sich gebunden zu wissen bedeutet ihm einen hohen narzisstischen Gewinn und sichere Gewähr für fortwährende Spende fraulicher Anhänglichkeit. Unter Hinweisen auf seine unerschöpfliche Liebe lässt er sich beliebig von ihr dirigieren, ohne sich dessen bewusst zu werden.
    So wird die Beziehung zunächst von beiden Seiten idealisiert. Die Frau verleugnet ihre eigenen Männlichkeitswünsche und die Schwäche des von ihr gewählten Mannes. Sie will den Mann stark sehen und manipuliert ihn mit diesen Erwartungen. Auch objektiv gesehen geht es diesen Frauen zunächst deutlich besser. Zuvor bestehende Konversionssymptome verschwinden, phobische Symptome treten in den Hintergrund, die Frauen sind emotional ausgeglichener, zufriedener und glücklicher.
    Der Mann ist mit dem Bild, das die Frau auf ihn projiziert, identifiziert. Jetzt, wo er als mütterlicher Helfer und edler Ritter gebraucht wird, fühlt er Kräfte in sich, die ihn über sich hinauswachsen lassen. Die projektive Beziehung der Hysterika ist dem Bedürfnis des

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