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Die Zweierbeziehung

Die Zweierbeziehung

Titel: Die Zweierbeziehung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürg Willi
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gemeinsamen unbewussten Grundannahmen entwickeln in der Zweierbeziehung eine eigengesetzliche Dynamik, häufig im Sinne der in den Kollusionsmustern dargestellten Komplementarität.
    Die partnerschaftliche Verflechtung von sozialem Verhalten und unbewusstem Erleben ist für die Ehe- und Familientherapie von großer Bedeutung. Unser Forschungsteam hat mit dem Gemeinsamen Rorschach-Versuch Gemeinsamer Rorschach-Versuch (Willi) ein Untersuchungsinstrument geschaffen, das sich für die Bearbeitung dieser Fragen anbietet. Die Partner absolvieren miteinander den Rorschach-Test mit der Auflage, sich bei jeder Tafel auf
eine
Deutung zu einigen. Der Entscheidungsprozess lässt in verschiedenen voneinander unabhängigen Variablen das Sozialverhalten erfassen und zeigt andernteils in der inhaltlichen Diskussion über die vorgeschlagenen Klecksdeutungen die unbewusste Dynamik, die Phantasien, Ängste und Abwehrmaßnahmen innerhalb des Paares. Die Diskrepanz zwischen Sozialverhalten und unbewusster Dynamik kann dabei deutlich sein, wie zum Beispiel im Falle einer Trinkerehe, wo im Gemeinsamen Rorschach die Frau auf Verhaltensebene tyrannisch jede Initiative, Aktivität und Mitentscheidung des trunksüchtigen Mannes unterdrückte, wo aber dieselbe «dominierende» Frau in den Rorschach-Inhalten passive Bedürfnisse und starke Abhängigkeitsphantasien äußerte. Oder in einer hysterischen Ehe, wo der Mann von der betont passiven Frau die Führungsfunktionen zugeschoben erhielt, sich in den Deutungsinhalten der Frau aber deren eigene phallischen Ansprüche und Kastrationstendenzen zeigten.

6.3. Von der Partnerwahl Partnerwahl zum Paarkonflikt
    In der Phase der Verliebtheit gehen die Partner ganz in der Bildung eines gemeinsamen Selbst auf mit dem Bestreben, das individuelle Selbst so zu modifizieren, dass es sich mit demjenigen des Partners zu einem harmonischen Ganzen verbindet. Die Partner haben sich in ihrer Beziehung, zum Beispiel im Sinne der erwähnten Kollusionsmuster, funktionell aufgeteilt, was eine enge Bindung entstehen lässt. Je größer nun die Bereiche sind, die für den einen als eigene Verhaltensmöglichkeit ausgeklammert und somit stellvertretend vom Partner übernommen werden müssen, umso gefährdeter ist die Beziehung sowohl intraindividuell wie auch interindividuell.
    Intraindividuell kann jeder im Partner ein Substitut (einen Ersatz) für eigene verdrängte Bereiche finden. Solange die Partner ganz ineinander verklammert sind und sie sich als Einheit fühlen, mag diese gegenseitige Ergänzung am besten spielen. Aber in der Gewohnheit des alltäglichen Lebens wird ein jeder auch wieder auf sein individuelles Selbst zurückgeworfen, und der Stellenwert des gemeinsamen Selbst als geschlossener Einheit reduziert sich. Die ins Unbewusste verdrängten Persönlichkeitsanteile kommen wieder hoch und gefährden die Stabilisierung, die die Partner in der Kollusion gefunden haben.
    Interindividuell betrachtet, erträgt es der Progressive auf die Dauer nicht, dem Partner die regressive Befriedigung zu vermitteln, die er sich selbst versagt. Er frustriert zwar den Partner, indem er ihn in dessen regressiver Position kleinhält. Er frustriert sich damit aber auch selbst, indem er damit die progressiven Ich-Funktionen für das Paar dauernd allein übernehmen muss, ohne dass er deswegen vom Partner ausreichend mit Anerkennung entschädigt würde. Sosehr er sich auch über das regressive Verhalten des Partners ärgert, noch viel weniger würde er es ertragen, wenn dieser wirklich selbstbewusster und unabhängiger würde.
    Der Regressive hasst den Progressiven, weil das Angewiesensein auf dessen Hilfe ihn kränkt. Er delegiert zwar weiterhin die Ich-Funktionen wie Kontrolle, Führung, Entscheidung und Aktivität dem Partner, weil er sich deren Übernahme nicht selbst zumutet. Statt diese progressiven Funktionen selbst zu erfüllen und den Widerstand in sich zu überwinden, fällt es ihm leichter, die Bemühungen des Progressiven dauernd zu untergraben und sich ihnen zu widersetzen. Er hasst aber auch sich selbst, weil er sich weiterhin von den Bemühungen des Partners abhängig weiß.
    Wenn der Mann sich allabendlich betrinkt, zwingt er die Frau, ihn zu überwachen und ihm dauernd Vorwürfe zu machen, da die Frau ja nicht untätig zusehen kann, wie er verkommt. Der Mann fühlt sich aber durch die Notwendigkeit, eine Aufpasserin haben zu müssen, in seinem Selbstgefühl gekränkt und trinkt eventuell aus Trotz noch mehr. Das

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