Die Zweierbeziehung
er werde bis zur Erschöpfung pflegerisch beansprucht – sich selbst vom Partner einmal versorgen und verwöhnen zu lassen erträgt er noch viel weniger und ist darin mit dem Partner einig, der ihn ja auch keinesfalls pflegen will. Der anale Herrscher wirft seiner Frau Unselbständigkeit und Passivität vor, erstickt aber jeden Versuch ihrerseits zu Autonomieentwicklung im Keime und bestätigt sie letztlich in ihrer passiven Abhängigkeit. Die «phallische» Frau verhöhnt ihren impotenten Mann und verhindert so, dass er sich je mit seiner «passiv-femininen» Seite befreunden könnte, was ja die Anforderung an sie stellen würde, ihre Männlichkeitsstrebungen in sich zu integrieren. Die Partner leiden zwar an der Ehe, quälen sich miteinander ab, stimmen aber letztlich darin überein, dass sie nicht wirklich etwas an ihrer Beziehung ändern wollen. In der Therapie braucht es oft lange Zeit, bis dem Paar dieser gemeinsame Widerstand aufgezeigt und bewusst gemacht werden kann.
6.4. Das kollusive Patt Kollusives Patt
Die Kollusion erweist sich im längeren Zusammenleben als eine Falle, welche die Partner in all den ursprünglichen Ängsten, Schuldgefühlen und Beschämungen gefangen hält und ihnen kaum ein Entkommen ermöglicht. Derjenige, der mit der Ehe versuchte, über seine Gefühle der Minderwertigkeit, des Versagens, der Schwäche und des Nicht-akzeptiert-Werdens unter der Bestätigung des Partners hinauszuwachsen, muss sich jetzt unter den pausenlosen Vorwürfen, Anschuldigungen und Entwertungen des Partners schlechter vorkommen als je zuvor. Derjenige, der gehofft hatte, in der Ehe ein Paradies zu finden, wo all seine infantilen Bedürfnisse gestillt würden, fühlt sich durch das Verhalten des Partners mehr frustriert als durch irgendeine andere Beziehungsperson. Die Kollusion entpuppt sich als destruktives Arrangement und erzeugt Wut, Hass, Rachegefühle, Verzweiflung und bittere Enttäuschung.
Der Außenstehende mag schwer begreifen, wie zwei vernünftige Menschen sich über Jahrzehnte mit immer den gleichen Sätzen kränken und belasten können, ohne von der Nutzlosigkeit ihrer Beschuldigungen Kenntnis zu nehmen. Da der Streit meist um alltägliche Bagatellen geführt wird, ist es auch schwer einsehbar, weshalb sich beide so halsstarrig und verbohrt verhalten. Was diese Frau verlangt, ist ja so wenig, weshalb kann der Mann ihr nicht entgegenkommen und etwas großzügiger und aufmerksamer sein? Weshalb ihr nicht mal einen Blumenstrauß bringen, auf einen Besuch zu den Schwiegereltern mitkommen, am Sonntag das Frühstück im Bett servieren, die Zeitung ordentlich weglegen, eine Anerkennung für das Essen aussprechen usw.? Das wäre doch wirklich nur eine Kleinigkeit! Oder weshalb kann die Frau nicht etwas großzügiger und elastischer sein, mal den Mann am Abend allein ausgehen lassen, ohne ihn nachher ins Verhör zu ziehen, ihn mal in Ruhe seine Zeitung lesen lassen, ihn am Sonntag mal etwas verwöhnen, ihn etwas in seinen beruflichen Sorgen unterstützen und ihm eine Anerkennung aussprechen, dass er das ganze Jahr so tapfer arbeitet? Das wäre doch weiß Gott nicht viel verlangt! Es gibt heute denn auch eine große Zahl von Ehe-Bestsellern, Streittechniken und Beratungsbüchern, die hierzu technische Ratschläge und Handlungsanweisungen erteilen. Durch Festsetzung des geeigneten Zeitpunktes für Streitgespräche, durch klare Formulierung, was man vom Partner will, durch Aushandeln unter Angabe von Wichtigkeit des Geforderten oder durch Tauschgeschäfte hofft man den Leuten strukturierte Hilfe anzubieten, wie sie in fairer Weise ihre Divergenzen überbrücken können. Meine Bedenken gegenüber derartigen Handlungsanweisungen sind, dass selbst die sauberste und fairste Streittechnik unterlaufen und missbraucht wird, wenn die Hintergründe, die derartige Bagatellen zu Staatsaffären werden lassen, nicht geklärt und beeinflusst werden. Wie soll einer aber klar und eindeutig aussprechen, was er fühlt und vom Partner will, wenn das, was er im Grunde fühlt und vom Partner will, ihm selbst
nicht bewusst, weil verdrängt
ist?
Ginge es nur um den Sachwert eines Streites, so wäre überhaupt nicht einzusehen, weshalb zwei intelligente, im Umgang mit anderen Menschen absolut vernünftig reagierende Menschen sich miteinander wegen derartiger Bagatellen jahrelange Kriege liefern können. Wäre das Problem rational lösbar, so würden die Leute selbst das finden, was man ihnen so gemeinhin rät.
Die Bagatellen,
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