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Die Zweierbeziehung

Die Zweierbeziehung

Titel: Die Zweierbeziehung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürg Willi
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Problem lässt sich nur lösen, wenn der Mann sich entschließt, selbst die Verantwortung für sich zu übernehmen.
    Ein anderer führt mit seiner Frau zusammen ein Geschäft. Er neigt dazu, über seine Verhältnisse zu leben und in seiner Buchhaltung keinerlei Ordnung zu halten. Er zwingt dadurch seine Frau, ihn zu kontrollieren und ihm aufzulauern. Er trotzt ihr damit, dass er noch nachlässiger wird. Im Grunde aber hasst er sich selbst wegen seiner Willensschwäche. Der Konflikt lässt sich nur lösen, wenn er bereit ist, selbst die Verantwortung für die Finanzen zu tragen.
    Im günstigen Falle lernt ein Individuum, dass es den Partner nicht als Träger seiner abgewehrten Persönlichkeitsanteile missbrauchen darf, sondern diese, obwohl angsterregend, in sich integrieren muss.
    Vielen gelingt aber die Reintegration des delegierten Anteils nicht. Sie empfinden diese Forderung als eine Zumutung, die sie nicht akzeptieren wollen. Sie reagieren mit Wut gegen eine derartige Anmaßung, die ausgerechnet die stellvertretende Ergänzung, die die Ehe für sie so attraktiv gemacht hat, zerstören sollte.
    Der Partner in regressiver Position sollte sich mit den verdrängten progressiven Möglichkeiten auseinandersetzen, also mit den eigenen Entwicklungsanforderungen zu Autonomie, Übernahme von Verantwortung und Aktivität. Im günstigen Falle wird er diesen Reifungsschritt auf sich nehmen, weil er sich in seinem bisherigen Verhalten gegenüber dem Partner als minderwertiger und unselbständiger Schmarotzer fühlt und auch zunehmend der Angst verfällt, sich dem Partner auszuliefern oder von ihm verlassen zu werden.
    Der Partner in progressiver Position sollte sich mit den ihn bedrängenden regressiven Persönlichkeitsanteilen auseinandersetzen, also mit der Unechtheit seiner gespielten Stärke, Überlegenheit und «Reife» und mit dem Erfordernis, seine eigenen passiven Tendenzen und seine Bedürfnisse nach Abhängigkeit und unmittelbarer Triebbefriedigung zu akzeptieren.
    Im
Idealfall
vermögen die Partner diesen Reifungsschritt gemeinsam zu vollziehen und sich bei dieser Reifung gegenseitig behilflich zu sein. Häufig aber wird einer oder beide Partner die Enttäuschung über die Unmöglichkeit, sich in der Ehe von allen Konflikten erlösen zu lassen, nicht akzeptieren, sondern versuchen, die ursprüngliche Definition der Beziehung durchzutrotzen.
    Leicht entwickelt sich nun eine verhängnisvolle Beziehungsform: Einer oder beide Partner sind ängstlich bemüht, das gemeinsame Selbst um jeden Preis zu erhalten, ja dessen vorrangige Bedeutung abzusichern, indem sie das eigene Verhalten so übersteigern, dass der Partner im komplementären Gegenverhalten fixiert wird (interindividuelle Balance). Sie übersteigern ihr Verhalten aber auch aus Abwehr gegen die Wiederkehr der eigenen verdrängten Persönlichkeitsanteile (intraindividuelle Balance).
    Diese Übersteigerung bewirkt nun aber im Endeffekt das Gegenteil des Intendierten.
    Der
progressive Narzisst
, der vom Partner die Selbstaufgabe gefordert hatte, merkt nun, dass die Idealisierungen vonseiten des Partners ihn nicht nur aufwerten, sondern auch festlegen und gefangenhalten. Er reagiert mit Wut, versucht den Partner aus sich hinauszudrängen und ihn zu zerstören, doch je mehr er den Partner entwertet, desto weniger wird dieser den Mut zum eigenen Selbst finden, und desto weniger wird er die schuldbeladene Verpflichtung los, den Partner in sich tragen zu müssen.
    Der
regressive Narzisst
aber wird mit Wut reagieren, dass sein Partner die in ihn gesetzten Idealvorstellungen enttäuscht, und wird versuchen, ihn mit Vorwürfen auf sein Idealbild zu verpflichten. Er wird weiterhin nur für den Partner leben, aber nicht mehr, indem er sich für diesen aufgibt, sondern indem er sich für die Charakterentwicklung des Partners zuständig und verantwortlich fühlt. Er hält sich für unentbehrlich und ist überzeugt, dass der Partner ohne ihn verloren wäre.
    Die übersteigerte Form von «Egoismus» des Progressiv-Narzisstischen wird also im Endeffekt zur Fremdbestimmtheit seines Selbst, und die übersteigerte Form des «Altruismus» des Regressiv-Narzisstischen wird im Endeffekt zur manipulierenden Außensteuerung. Der Streit geht endlos, solange der Progressiv-Narzisstische nicht bereit ist, das Selbst des Partners zu stützen und zu bestätigen, und solange der Regressiv-Narzisstische davor zurückschreckt, ein eigenes Selbst zu akzeptieren und zu entwickeln.
     
    Der
orale

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