Die zweite Fahrt zur Schatzinsel
Argent.
„Seht
Ihr das, Mr. Argent?“
Er
hielt das Bein hoch und bewegte es am Knie hin und her, so daß der Fuß
vorschnellte und knapp des Meisters Kopf verfehlte.
,Das , Sir, ist ein Kugelgelenk, von mir entworfen
und von einem Handwerker am Ort hergestellt. Keine Nachahmung, sondern eine
Verbesserung der Natur, Sir. Das Prinzip ist ein Kugellager, massive
Metallkugeln in der Art von Pistolenkugeln, die von Fett oder Wachs umgeben
sind.“ Er bewegte das Bein wieder ruckweise, wobei er es von Mr. Argent
entfernt hielt, so daß der Zeh eine Wasserkaraffe vom Tisch fegte.
„Sachgemäß
auf die Bedürfnisse der Industrie angewandt, jawohl Sir, würde dieses Prinzip Antriebskraft
umwandeln. Der Gebrauch der Vernunft macht es möglich, daß...“
Argent
riß dem Erfinder das Bein aus der Hand und schleuderte es durch den Raum.
„Macht
Euch aus dem Staub, Somerscale, ich bin heute abend nicht in der Stimmung für Eure
Vernunft“, schnauzte er. Somerscale machte sich aus dem Staub, sah aber
verärgert aus. Mir schien, daß Mr. Argent eines Tages bedauern könnte, wie er
den Erfinder behandelte.
„Schau
mich an, Tom, ein Wrack ohne Mast an einer windgeschützten Küste. Schau den
Papagei an, Käptn Flint, der für England gesegelt ist, der Providence,
Portobello und die Tortugas gesehen hat, der jedes Wort gelernt hat, höflich
oder anstößig, das ein Seemann oder Glücksritter wissen könnte. Schau, in
welchem Zustand er sich befindet.“
Bei
diesen Worten öffnete der Papagei den Schnabel und kreischte:
„Zehn
Prozent, zehn Prozent. Nimm’s an oder laß es bleiben.“ Argent schüttelte den
Kopf. „Er hat sich zum Schlechten verändert. Nach all diesen Jahren als
Geschäftsmann kann ich kein höfliches menschliches Wort außer zehn Prozent aus
ihm herauskriegen. Ach, Tom, mein Junge, ich hab ein schlechtes Leben geführt.“
„Aber
das ist Jahre her, daß Ihr die See verlassen habt, Mr. Argent.“
„Nein,
Tom, seither, seither. Ich pflegte sie schnell und schmerzlos zu töten, ein
Messer in den Bauch, ein Entermesser durch die Kehle. Heute lasse ich sie zu
Tode bluten, und sie danken mir dafür.“
„Alle
außer Ned Barker und seine Kameraden“, sagte ich.
Er
grinste.
„Selbst
Ned Barker frißt mir jetzt aus der Hand. Der Schatten des Galgens kühlt die
hitzigste Stirn. Aber verdammt, darüber wollen wir doch nicht reden, oder? Tom,
mein Junge. Wenn ich nur die Füße an Bord setzen könnte, würde ich mir wieder
ein paar Leinen spannen und wie eine Grille herumhüpfen. Weg war’ ich und würde
zur Schatzinsel segeln und diese Silberbarren heben. Ach verdammt, es ist nicht
der Schatz, es ist die großartige, herrliche See.“
„Ihr
tönt grad so wie Squire Trelawney.“
„Ja,
das ist ein Gentleman. Leicht erregbar, doch eine britische Bulldogge durch und
durch. Wenn er sich an etwas festbeißt, läßt er nicht mehr los. Ich wette, er
wär’ fort zur Schatzinsel, wenn er könnte.“
„Ja,
das war’ er“, antwortete ich, „wenn er das nötige Geld hätte. Und was hält Euch
zurück, Sir?“
„Oho,
du bist ein gewitzter Bengel, kleiner Tom, das bist du wahrhaftig. Nein, es ist
nicht das Geld; das mich zurückhält. Es ist, nun ja, es ist die Karte.“
„Aber
Mr. Argent, Ihr kennt die Insel doch wie Eure eigene Westentasche, mit
Liegeplätzen und allem, sagt Mr. Hawkins.“
„Ja
schon. Ja schon. Doch wo ist der verdammte Ort, kannst du mir das sagen? Ich
kann ein Schiff ausrüsten und gen Westen segeln. Aber ich kann bis ans Ende der
Welt segeln und nie dort an-legen. Es sind Breiten- und Längengrad, die mir
fehlen, Tom, sonst nichts.“ Er beugte sich zu mir.
„Tom,
mein Junge. Mach gemeinsame Sache mit mir. Ich weiß, daß du die Karte kriegen
kannst, wenn du dir Mühe gibst.“
Er
ahnte nicht, daß er fast ins Schwarze getroffen hätte.
Ich
zuckte die Achseln. „Wenn ich Euch jetzt die Karte besorge, teilt Ihr später
den Schatz mit mir. Wo ist da das Geschäft?“ Ich wurde kühner. „Seht, Mr.
Argent, fünf Guineen Anzahlung und ein Shilling per Monat kaufen mich nicht mit
Haut und Haar.“
„Shilling per Monat, Shilling per Monat, was
soll der Quatsch ?“
Er
glotzte mich an. Von wem kam dieser verdammte Shilling denn dann? Jemand trieb
ein Doppelspiel mit mir. Er sah gerissen aus.
„Ich
kann dir etwas Besseres bieten. Deine Freiheit.“
„Was
für eine Freiheit?“
Er
schnippte mit den Fingern. Im Eingang erschienen zwei Männer. Ich stöhnte
innerlich.
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