Die zweite Fahrt zur Schatzinsel
Gray starrten ins Feuer. Der Doktor klopfte seine Pfeife am
Kamin aus und wandte sich ruhig an Master Jim.
„Nun,
Jim, heute nacht habt Ihr mich fünfzehn Jahre jünger
gemacht.“
„Und
mich fünfzehn Jahre älter“, knurrte der Squire.
„Ich
erinnere mich“, fuhr Doktor Livesey fort, „wie Ihr uns auf jener
schicksalsschweren Reise immer wieder durch Euer vorschnelles Handeln ins
Unheil stürztet, uns jedoch durch irgendeinen Glücksfall wieder gerettet habt.
Kein bißchen verändert. Erst handeln, dann denken, das ist Jim Hawkins.“
Master
Jim sah beschämt aus, dann hob er das Kinn. „Ich tat, was ich für richtig
hielt. Ich war von Anfang an gegen die Schatzsuche, und ich wollte uns von dem
Mann befreien.“
„Jim“,
sagte Dr. Livesey, „wegen Eurer Gefühle dem Schatz gegenüber respektiere ich
Euch, Eure Gefühle Silver gegenüber haben meinen Beifall. Doch wenn der Grund
für das alles Liebe zu Lady Alice war, dann erlaubt mir, Euch einen Esel zu
nennen.“
„Einen
Esel?“
„Ja
gewiß doch. Ihr seid nicht der erste, der meint, daß er eine Dame gegen ihren
Willen gewinnen könne, indem er den Rivalen vertreibt. Ihr werdet nicht der
letzte sein. Aber es wirkt nur in umgekehrter Richtung. Es beleidigt sie und
entehrt Euch.“
Der
Doktor nahm sein Glas und trank, dann wandte er sich an die Gesellschaft.
„Was
will Silver haben? — den Schatz? Lady Alice? Vielleicht — doch was es auch
immer sein mag, es gibt nur ein Wort dafür — Rache. Er demütigt den Squire vor
den Kaufleuten von Bristol, er macht seinem Mündel gegenüber unverschämte
Bemerkungen über eine Heirat und plant dabei zweifellos, ihn zu überleben und
sich in diesem Haus als Herr aufzuspielen und am Kamin zu sitzen.“ Der Squire
sah jetzt grün aus. „Und Ihr Jim, werdet ihn die Silberbarren heben lassen und
ihm Lady Alice als Geschenk obendrein geben.“
Der
Squire sprang ohne Rücksicht auf sein bandagiertes Bein auf: „Wir werden ihn
noch übers Ohr hauen. Wir werden mit der Hispaniola in See stechen und ihm die Silberbarren unter der
Nase wegschnappen.“
„Er
hat die Karte“, warnte der Doktor.
„Um
so schlimmer für ihn. Wir haben ein abfahrbereites Schiff, und Jim kennt die
Kreuzpeilungen auswendig, oder ich will ein Holländer sein. Laßt uns die Anker lichten
und lossegeln! Tom kommt mit und ist vor den Prämienjägern und lästigen Fragen
sicher. Nun, das Schiff ist beinah seefertig. In zwei Tagen müßten wir Proviant
und alles an Bord haben. Schaut, Jim, ich habe an alles gedacht. Mein Koch soll
hinunterkommen und bei Eurer Mutter bleiben und ihr zur Seite stehen. Das
Krankenhaus des Doktors kann eine Weile für sich selbst sorgen. Was sagt Ihr,
Jim?“
„Aber...“
„Macht
Euch keine Sorgen wegen Lady Alice. Sie wird mit uns an Bord gehen, paßt nur
auf. Sie ist kein Narr. Wenn sie auf unserer Seite ist, bekommt sie ihren
Anteil und meinen, wenn ich abtrete. Wenn sie Silver heiratet, vermache ich
alles Liveseys verdammtem Krankenhaus. Sie kriegt nichts von mir und nichts von
ihm, und das weiß sie.“
Na,
dachte ich, eine glatte Wende.
Der
Squire hob sein Glas. „Worauf trinken wir?“ fragte er.
Jim
saß einen Augenblick tief in Gedanken, dann hob er sein Glas mit einem Seufzer.
Alle riefen:
„Auf
die Hispaniola! “
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TEIL III
Mein
Seeabenteuer
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21 .
Die Hispaniola
Die
beiden nächsten Tage vergingen wie ein Wirbelwind. Der Squire trieb an, Käptn
Gray überwachte — so gingen unsere Vorbereitungen für die Reise rasch und
heimlich voran. Niemand verließ das Herrenhaus, und ich behielt Betsy mit
gemischten Gefühlen gut im Auge. Wenn sie Silver warnen wollte, bot sich ihr
keine Gelegenheit. Unser Vortrupp trug den Hauptteil der Vorräte und Ausrüstung
gleich in jener Nacht hinunter. In der zweiten machten sich die übrigen in pechschwarzer
Nacht mit verhüllten Laternen auf. Auf der langen Fahrt zur Mündung der Avon,
während wir der gewundenen Küstenstraße folgten, die an manchen Stellen nicht
mehr als eine Wagenspur war, stieß Somerscale, der Erfinder, in großer
Heimlichkeit zu uns. In seinen Augen lag schadenfrohes Glitzern, als er auf ein
kleines Stoffbündel wies. Er öffnete es, um uns ein halbes Dutzend kleiner
Metallkugeln zu zeigen.
„Meine
Erfindung. Ohne die kann er sich nicht mehr als einen Yard bewegen, ohne daß
sein Bein sich festklemmt.“ Mr. Argent, so versicherte er uns, ahnte nicht, was
wir
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