Die zweite Frau des Arztes (Contoli-Heinzgen-Krimi)
lebend.“
Eva lockerte ihre Haltung, lehnte sich zurück, betrachtete ihren neuen Therapeuten und schmunzelte.
„Sie lieben sie wohl sehr?“
Nun gut, dachte Wolf widerstrebend, je mehr er sich ihr offenbarte, je mehr sie von ihm wusste, umso leichter würde sie ihm vertrauen. Er nahm seine Brille ab und rieb sich den Nasenrücken. Der Abdruck brannte etwas. Anke hatte recht, er sollte sich wirklich ein leichteres Modell zulegen. Wolf bemerkte Eva forschenden Blick. Sie schien seine Augen zu suchen.
„Rehbraun“, murmelte sie undeutlich, aber Wolf hatte es verstanden.
„ Sie sind von meiner Mutter“, erklärte er.
„ Meine auch“, antwortete Eva.
Wolf setzte seine Brille wieder auf, sah ihr darauf hin in die Augen und meinte erneut, sie verdächtig schimmern zu sehen. Bei ihrer Mutter saß ein Stachel, das war ihm klar. Seine Stimme bekam einen warmen Klang, als er sagte.
„Meine Frau und ich, wir führen jetzt eine außergewöhnliche Ehe.“
„ Was ist sie für eine?“
„ Sie ist halb Italienerin, halb Deutsche und hat den sprühenden Charme ihres quirligen Vaters samt seiner ganzen Sippe geerbt. Sie heißt Anke, bedeutet Gnade.“
Unter seinem Schnauz formten sich bei der Erwähnung die Lippen zu einem Lächeln.
„Aha, und was bedeutet Eva?“
Sie war sicher, keine Antwort darauf zu bekommen.
„Das Leben.“
„ Das Leben“, wiederholte Eva leise. „Das ist Ironie. Ich habe eigentlich die meiste Zeit in meinem Leben sterben wollen.“
„ War das erst später?“, fragte Wolf vorsichtig. „Nach ihrer glücklichen Kindheit.“
Evas Augen wurden schmal. Sie rutschte leicht auf dem Stuhl hin und her. Ihre Körperhaltung verkrampfte sich. Sie kniff ihre Lippen so fest zusammen, dass sie nicht mehr zu sehen waren. Die Farbe war aus ihrem Gesicht gewichen. Wolf ahnte, dass sie kurz vor einem Ausbruch stand. Er lenkte sofort ein.
„Das mit den Namen ist ein Hobby von mir, bei jedem neuen Menschen, den ich kennenlerne, schaue ich die Bedeutung des Vornamens nach, wenn ich sie nicht schon weiß.“ Er lachte. „Nun ja, man muss doch wissen, mit wem man es zu tun hat.“
„ Und mit wem habe ich es zu tun?“
Es lag offensichtlich eine Zweideutigkeit in der Frage. Er beschloss, nicht darauf einzugehen und bei dem gerade aktuellen Thema zu bleiben.
„Wolf“, erklärte er, „ist eine Ableitung von Wolfgang, die Bedeutung liegt im Namen selbst.“
Eva beobachtete ihn einige Sekunden, ehe sie ihre angespannte Haltung wieder lockerte. Wolf schwieg jetzt, ließ sie sich sammeln. Er wusste, dass er eben mit seiner Frage an die Tür einer gut verschlossenen und wohl ziemlich dunklen Kammer geklopft hatte. Er wollte jetzt bewusst nicht mehr auf ihre vielsagende Äußerung eingehen, aber er würde darauf zurückkommen. Am besten, er erzählte noch einiges von sich, das war unverfänglich und würde sie beruhigen.
„Meine Frau ist Journalistin.“
„ Die sind noch schlimmer als die Bullen. Als ich noch auf der Wache saß, musste der Kripoheini, ich habe seinen Namen vergessen, ständig Leute von der Presse abwimmeln. Sie hätten mich am liebsten in allen Posen fotografiert. Ich hasse es, fotografiert zu werden. War Ihre Frau auch bei der Meute?“
„ Nein, sie war zu der Zeit drei Monate in Paris.“
Er überlegte, ob er den nächsten Satz sagen sollte, er tat es.
„Ich kann mir vorstellen, dass Sie sehr fotogen sind.“
Eva lief rot an.
„Als Kind bin ich viel fotografiert worden, weil ich so süß war, so ungewöhnlich süß, haben sie immer gesagt.“
„ Wer sind sie ?“
„ Ach, das ist unwichtig, keine Ahnung mehr, Verwandte, was weiß ich.“
Auch ein Punkt, den er zur gegebenen Zeit wieder aufgreifen musste, wenn sie nicht von sich aus darauf kam.
„Ich war auch glücklich verheiratet, aber wir lebten zusammen – und das war schön“, sagte sie unvermittelt. Eva sah bei diesen Worten durch das vergitterte Fenster, als suche sie etwas, was ihr entronnen war. Wolf überlegte blitzschnell, und er glaubte, dass er mit seiner nächsten harmlosen Frage kein Unheil anrichten konnte. Er wählte bewusst ihre Worte.
„ Sie liebten ihn wohl sehr, was war er für einer?“
Ihm war, als schrecke sie unmerklich zusammen. Mit einem Ausdruck im Gesicht, der ihm zuwarf, wage es nicht noch weiter, schaute sie ihn an. Er ignorierte es.
„Sie müssen es nicht erzählen. Nur, wenn Sie wollen.“
„ Aber warum fragen Sie mich dann, wenn es Sie doch nicht interessiert?“,
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