Die zweite Frau des Arztes (Contoli-Heinzgen-Krimi)
ihr Gesicht sah, erlosch seine Hoffnung auf einen guten Tag.
„Hallo Eva!“, meinte er dennoch locker und legte wie immer gleich einem Ritual sein Aufnahmegerät auf den Tisch. Eva grüßte nicht einmal zurück.
„ Ihnen bekommt der graue Montag wohl auch nicht, was?“, versuchte Wolf den Einstieg.
„ Die Nacht davor ebenfalls schon nicht“, gab Eva Aufschluss und biss sich sogleich reuig auf die Lippen.
„ Wollen Sie darüber sprechen?“
„ Nein! Ich habe nur schlecht geschlafen. Das ist alles, was ich damit sagen wollte.“
Wolf wusste, dass sie log. Sie bemühte sich auch nicht, ihre schlechte Laune zu verbergen.
„Haben Sie den Umschlag bekommen?“, wollte Eva dann sogleich unverkennbar bissig wissen. Vielleicht, so dachte Wolf, bereute sie schon ihre aufschlussreichen Zeilen an ihn. So wiederholte er seine Frage, wobei er die Betonung nun auf darüber legte.
„ Müssen wir denn überhaupt sprechen? Ich habe Ihnen doch alles aufgeschrieben“, reagierte Eva gereizt. „Sie wissen doch jetzt Bescheid und können Ihr Gutachten schreiben. Ich habe eine Männerphobie und deswegen meinen Mann getötet.“
„ Nun ja, ich weiß durch ihre Nachricht mehr als noch gestern. Aber ob das dem Staatsanwalt reicht, bezweifle ich.“
Eva zuckte die Schultern. Wolf entschloss sich zum Angriff.
„Eva, lassen wir die Männer heute mal beiseite. Erzählen Sie von dem Verhältnis zu Ihrer Mutter.“
Entgeistert blickte Eva ihn an.
„Wie kommen Sie denn so unvermittelt auf meine Mutter?“
Unnachgiebig schaute Wolf ihr ins Gesicht. Er spürte ihren Widerstand. Die Mutter schien ein rotes Tuch für Eva. Warum, das drängte ihn, herauszufinden.
„Ist das ein Problem für Sie, über Ihre Mutter zu sprechen?“
„ Nein, durchaus nicht“, schoss es aus Eva heraus.
„ Wann haben Sie Ihre Mutter das letzte Mal in Hamburg besucht?“
Bei der Frage fühlte sich Wolf aufgrund seines Wissens unwohl. Als würde er ihr Vertrauen missbrauchen. Aber er musste vorankommen. Sie hatten nicht jahrelang Zeit. Eva stutzte auf seine Frage hin. Sie legte den Kopf schräg und sah Wolf an.
„H a m b u r g ? Wie kommen Sie darauf, dass meine Mutter in Hamburg gewohnt hat?“
Wolf überlegte geschwind. Entweder hatte sie schlicht vergessen, das gesagt zu haben, oder eine ihrer Spaltpersonen hatte damals von Hamburg geredet. Dann fiel ihm noch etwas auf.
„Gewohnt h a t ?“, wiederholte er daraufhin. Wieso hat? Sie haben in einer unserer vorherigen Sitzungen gesagt, Ihre Mutter lebt, l e b t in Hamburg.“
Evas Gesicht rötete und versteinerte sich. Abrupt lachte sie auf. Irgendwie hilflos schien es Wolf.
„Sie Scherzbold! Das glaube ich Ihnen nicht. Wieso sollte ich das gesagt haben? Meine Mutter ist tot. Warum sollte ich so was erzählen?“
Wolf gab sich überrascht. „Tot? Das tut mir leid.“
„ Meine Mutter hieß Irmgard, was bedeutet das? Sie kennen sich doch so gut aus in der Namensdeutung.“
Wolf schmunzelte. Eva sah ihn an, als würde sie darauf wetten, dass er es nicht wusste.
„Irmgard ist altdeutsch, irmi bedeutet groß, mächtig und gard Schutz.
Eva verstummte für eine Weile.
„Groß und mächtig war sie nicht und Schutz hat sie mir auch nicht gewährt“, erklärte Eva schließlich besonnen auf seine Frage.
Obwohl er es wusste, fragte er. „Wann ist Ihre Mutter verstorben, Eva?“
Spontan umfasste sie mit einer Hand das Gelenk der anderen und versteifte sich. Sie zeigte sich unschlüssig.
„ Ich will eigentlich nicht über meine Mutter reden.“
„ Wovor haben Sie Angst, Eva?“
„ Verdammt noch mal! Ich will nicht.“
„ Wovor, Eva?“
„ Ihr Therapeutenärsche gebt wohl keine Ruhe, stochert mit euren Fangfragen in meinem Kopf und meiner Seele herum, egal, wie mir dabei ist.“
Wolf ignorierte die Bezeichnung seiner Person, konzentrierte sich auf das Stochern und das wie ihr dabei ist.
„ Sagen Sie es mir.“
„ Was, Herrgott noch mal.“
Er bemerkte, dass sie nahe daran war, die Beherrschung zu verlieren, doch Wolf ging das Risiko ein.
„Sagen Sie mir, wie Ihnen dabei ist?“
Eva sprang vom Stuhl und kreiste im Zimmer umher. Mit vorgezogenen Schultern, die Arme vor ihre Brust gekreuzt. Wolf ließ sie eine Weile gewähren, ehe er sie mit sanfter Stimme aufforderte, sich zu beruhigen.
„Ach, hören Sie doch auf mit dieser Schleimerstimme. Alles nur Strategie!“
„ Dann sprechen Sie doch endlich!! Erleichtern Sie Ihre Seele!“
Eva schaute ihn verdattert
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