Die zweite Frau des Arztes (Contoli-Heinzgen-Krimi)
vergrub mein Gesicht an seiner Brust, atmete seinen Geruch, spürte die Wärme, die von seinem Bauch ausging und kämpfte gegen Übelkeit. Als er in mich eindrang, rastete ich aus. Ich trommelte mit geballten Fäusten gegen seine Brust, auf sein Gesicht und schrie wie die in Schmerzen explodierende kleine Eva, der zum ersten mal der Unterleib aufgerissen wurde.
Bis dahin kann ich mich erinnern. Wie ich nach Hause gekommen bin, weiß ich nicht mehr. Ich befand mich jedenfalls wieder in meiner Wohnung und versuchte, die Spur dort aufzunehmen, wo ich sie verloren hatte. An etwas erinnerte ich mich, doch wenn ich versuchte, dieser Erinnerung nachzuspüren, brach sie ab. Ich rief Axel an. Zu meiner Überraschung erklärte er mir das Ende unserer Beziehung und fragte erbost, wie ich dazu käme, ihn noch anzurufen. Ich wollte ihm nicht zeigen, dass ich mich nicht daran erinnerte, was vorgefallen war, so bat ich ihn einfach um Entschuldigung. Er nahm sie nicht an, sondern lachte mich aus und berichtete mir ziemlich erregt, dass ich plötzlich wie von Sinnen auf ihn eingeschlagen und er einen Schneidezahn verloren habe. Ich sei kaum zu bändigen gewesen und habe das ganze Haus zusammen geschrien. Sie hätten einen Arzt rufen müssen, der mir eine Beruhigungsspritze gegeben habe. Noch in der Nacht habe er selbst mich nach Hause gefahren. Bevor er auflegte, sagte er.
„ Du bist krank, geh zum Psychiater.“
Aus Verachtung vor ihm spuckte ich den Hörer an. Von da an war das Thema Männer für mich durch. Ich konzentrierte mich auf Verenas und Ronalds Leben. Es bot mir unbewusst Schutz vor meinem eigenen. Nahm an ihrem teil, ohne teilzunehmen, intensivierte die Gespräche mit Mutter und unternahm an meinem achtundzwanzigsten Geburtstag meinen zweiten Suizidversuch. Der brachte mich für mehrere Monate in die Psychosomatische. Ich kam an eine Therapeutin, die für mich noch verrückter schien als ich selbst. Sie glaubte sozusagen, ich sei die Herausforderung ihres beruflichen Lebens und biss sich an mir fest. Ich machte mir einen Spaß daraus, mit dieser Psychohirntante zu spielen. Wie schon mal wurde ich auch diesmal mit der Option entlassen, eine offene Therapie zu machen.
Das erste Wochenende, nachdem ich wieder zu Hause war, besuchte ich Mutter. Und jetzt kommen wir der Mauer näher und auch dieser merkwürdigen Befindlichkeit in meiner Brust. Im Haus brannte Licht durch die Ritzen der Rollladen. Ich besaß einen Schlüssel. Als ich das Haus betrat, hörte ich Mutter hitzig reden. Ich dachte, sie wäre übergeschnappt und spräche mit sich selbst. Schon früher hatte sie hin und wieder laut Selbstgespräche geführt.
„ Mutter!“, rief ich und trat weiter in den Flur.
Und nun fängt es an, was hinter der Mauer liegt. Hatte ich nun einen Schatten gesehen oder nicht? Wie aus heiterem Himmel vernahm ich wie in meinem Traum schattenhaft Arme, die sich erhoben. Aber in der Realität traf mich im nächsten Moment der Schlag, der mich samt Geschehen hinter die Maurer warf. Und da bin ich jetzt noch, was das betrifft.
Ich weiß nicht, wie lange ich ohne Besinnung am Boden lag. Als ich zu mir kam, war es still und dunkel im Haus. Für mich roch es nach Gefahr, und ich hatte Furcht. Eine Weile lag ich ganz still, bis ich mich endlich aufraffte, Licht machte und meine Kleider ordnete. Meinen Mantel hatte ich noch an, also musste der Überfall kurz nach meinem Eintreten passiert sein. Mehrmals rief ich nach meiner Mutter. Mein Kopf brummte. Ich fühlte mich benommen, trunken und wankte durch jedes Zimmer, schaltete überall das Licht an und rief nach ihr. Aber sie schien fort zu sein. Ich war verwirrt. Sie hätte mich doch beim Hinausgehen sehen müssen, konnte mich doch nicht einfach da liegen lassen. Etwas stimmte nicht. Die Gefahr, die ich verspürte, ließen mir überall am Körper Augen wachsen. Ich sah Dinge, die es nicht gab. Zuckte vor dem Ticken der Uhr zurück und fuhr zusammen, als eine Fliege an mir vorbeisurrte. Auf meinem Hinterkopf bildete sich eine Beule, die höllisch zu schmerzen begann. Ich bekam Sehstörungen und Schwindelanfälle, die mich zwangen, immer wieder inne zu halten und mich an die Wand zu lehnen. Aber die Suche nach meiner Mutter zwang mich weiter. Sie war in keinem der Räume, aber ich bemerkte einige leere Flaschen Alkohol. Ich wunderte mich, denn Mutter hatte zu Hause nie getrunken. Ich wusste, dass sie sich früher in der Kneipe ab und zu etwas genehmigt hatte, wenn es ihr spendiert wurde,
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