Die zweite Invasion - Legenden der Zukunft (German Edition)
bestätigte der Besucher und sah ihn erstaunt an. »Aber bis heute weiß niemand, wann und durch wen er geändert wurde. Die automatisierten Aufzeichnungen sind wegen der Zeitsprünge unbrauchbar.«
»Et cognoscant, quia nomen tibi Dominus«, flü sterte Leon und bekreuzigte sich. Und so werden sie erkennen, dass Du allein der Herr bist ... Alle Anspannung war plötzlich von ihm abgefallen. Eine Welle der Dankbarkeit durchströmte seinen Körper und spülte Furcht und Zweifel davon.
Der Sprecher räusperte sich und wartete, bis er Leons Aufmerksamkeit wieder auf sich gerichtet sah.
»Vielleicht haben Sie recht«, fuhr er dann fort, »vielleicht auch nicht. Wir wissen es nicht, und auch das ist für uns eine ungewohnte Erfahrung. Tatsache bleibt allerdings, dass wir schuldig geworden sind. Wir wollten Ihre Welt retten und hätten sie beinahe vernichtet. So etwas durfte sich nicht wiederholen. Deshalb sind wir gegangen.«
»Sie sind gegangen und haben das hier zurückg elassen?«, erkundigte sich Leon ungläubig und deutete mit einer Geste nach draußen, wo sich im Halbdunkel die Silhouetten unzähliger Raumschiffe abzeichneten.
»Wir bedürfen der Flotte nicht mehr, auch deshalb haben wir sie Ihnen angeboten. Nur sollten Sie gut überlegen, ob sie von diesem Angebot Gebrauch machen wollen. Vielleicht können Sie die Mareen damit in die Flucht schlagen, ziemlich sicher sogar. Aber Sie könnten auch etwas auslösen, das Sie nicht beabsichtigt haben, wie wir mit unserer Kursänderung. Etwas, das schlimmer sein könnte als jedes im Moment vorstellbare Unheil. Also überlegen Sie gut, Sehender .«
Leon antwortete nicht sofort. Sein Blick fixierte das Gesicht des Sprechers, das, wie er wusste, nur eine Maske war. Was mochte sich dahinter verbe rgen?
»Ich verstehe, was Sie meinen«, sagte er dann. »Das ist eine schwere Entscheidung. Geben Sie mir bitte Zeit bis morgen früh.«
»So sei es«, stimmte der Besucher zu und wandte sich zum Gehen. Als seine Schritte auf dem Korridor verklangen, war Leon mit seinen Gedanken schon sehr weit weg. Er schlief nicht in dieser Nacht, und der, den er anrief, hüllte sich in Schweigen.
Die Zusammenkunft dauerte nur kurz.
»Haben Sie eine Entscheidung getroffen, Señor Castillo?«, erkundigte sich der Sprecher mit einem unverbindlichen Lächeln. Leon hatte ihm keinen Platz angeboten, und so musste er zu dem Spanier aufblicken, der einen halben Kopf größer war.
»Ja, das habe ich«, erwiderte Leonard de Castillo, 18. Großmeister des vereinigten Ordens von Alcántara, Calatrava und Santiago und Legat des Apostolischen Bundes. In seiner Stimme schwang keinerlei Unsicherheit mit. »Ihr Angebot ehrt uns, aber wir werden es nicht annehmen. Ich bin Ihnen dennoch zu großem Dank verpflichtet, denn Ihre Geschichte hat mir die Augen geöffnet.«
»Das war meine Absicht, Großmeister«, erwiderte der Sprecher und verbeugte sich. »Möge Ihr Gott Sie und die Ihren beschützen.«
»Das wird er, Sprecher der klugen Tanuat«, erwiderte Leon überzeugt. »Möge Ihnen die Last der Jahre leicht werden, dort, wo das Ende des Weges noch im Verborgenen liegt.«
Er lächelte über den erstaunten Blick des Gesan dten, fügte aber kein Wort der Erklärung hinzu.
– »Jede Geschichte enthält eigentlich zwei, Cap«, dozierte er, während die Schiffintelligenz die Star troutine abarbeitete, »die eigentliche und die desjenigen, der sie erzählt. Wusstest du eigentlich, dass die Tanuat beinahe unsterblich sind?«
»Es gibt in meinen Datenbanken keinen Hinweis darauf, dass eine Spezies dieses Namens überhaupt existiert«, beharrte die KI störrisch. »Alles, was wir darüber angeblich wissen, beruht auf ...«
»... Hörensagen, ich weiß«, seufzte Leon und wandte sich kopfschüttelnd ab.
Das Kraftfeld, das die »Isabella« eingeschlossen hatte, war verschwunden, und am Himmel strahlten wieder die Sterne. Das große Schiff trieb weiter durchs All mit Myriaden von Lichtern, unübe rschaubar in seinen Dimensionen, aber nicht steuerlos.
Fiat voluntas tua, flüsterte Leonard de Castillo dankbar , sicut in caelo, et in terra – im Himmel und auf Erden ...
Am Ende der Reise
Der Kapitän hatte aufgehört, nach den Sternen zu sehen.
Er dachte auch nicht mehr darüber nach, in we lchem Winkel des Universums die »Orpheus« und er gestrandet waren. Jenseits der großen Dunkelheit schienen die Sterne wie festgefroren und es gab keinerlei vertraute Strukturen, an denen er sich
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