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Die zweite Invasion - Legenden der Zukunft (German Edition)

Die zweite Invasion - Legenden der Zukunft (German Edition)

Titel: Die zweite Invasion - Legenden der Zukunft (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank W. Haubold
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Selbstachtung, den er noch besaß ...
    Der alte Mann hatte keine Angst vor dem Tod, d afür war er ihm zu oft begegnet. Die er geliebt hatte, waren ihm schon vor langer Zeit vorausgegangen. Er vermisste sie, und manchmal fand er Trost bei dem Gedanken, dass mit seinem eigenen Erlöschen auch der Schmerz von ihm genommen werde. Doch bis jetzt hatte er dieser Versuchung widerstanden. Seine Neugier war noch immer nicht erloschen und auch nicht der Funke Hoffnung, den er wider alle Vernunft in sich trug.
     
    Und ich hatte recht , dachte der Kapitän mit einem Lächeln und wischte die Gedanken an das Früher mit einem Schulterzucken beiseite. Besser, er widmete sich wieder seiner Schachpartie, über der er vorhin wohl ein wenig eingedämmert war. Die holografische Projektion zeigte auf den ersten Blick eine dominante Stellung von Weiß im Mittelspiel, aber dieses vermeintliche Zurückweichen von Schwarz konnte auch Taktik sein oder der Versuch, ihn in eine Falle zu locken. Die schwarzen Figuren führte natürlich Rector, dem der Kapitän allerdings ein wenig die Flügel gestutzt hatte, um Chancengleichheit herzustellen. Er hatte die Spielstärke der KI im Admin-Modus verändert und damit seine Erfolgsquote von 0 auf knapp 50 Prozent erhöht. Doch auch mit diesem Handicap blieb die Schiffsintelligenz natürlich ein ernstzunehmender Gegner.
    Nach kurzem Nachdenken wählte der Kapitän e inen unverfänglichen Springerzug, der die eigene Stellung zumindest nicht schwächte, und lehnte sich zurück. Der Charakter seines Spiels hatte sich geändert, seitdem sie hier festlagen. Während er früher all seinen Ehrgeiz daran gesetzt hatte, den Gegner zu schlagen, spielte er jetzt eher, um sich abzulenken und seine Nervosität niederzuhalten.
    Diese Veränderung war Rector natürlich nicht entgangen und entspr echend sarkastisch fiel sein Kommentar aus: »Darf ich Sie bei allem gebotenen Respekt daran erinnern, Sir, dass das Ziel des königlichen Spieles die Demütigung der gegnerischen Majestät ist und nicht ein Remis durch dreimalige Zugwiederholung?«
    Die gestelzte, leicht näselnde Sprechweise der KI war nicht vo rprogrammiert gewesen, sondern das Resultat diverser Softwareanpassungen im Kommunikationsmodul. Das Ergebnis kam den Vorstellungen des Kapitäns vom Habitus eines englischen Butlers am nächsten.
    »Schön, dass du mich daran erinnerst, Rector«, erwiderte er tr ocken. »Aber es steht dir natürlich frei, das Ganze in eine offene Feldschlacht zu verwandeln.«
    »Das ist im Moment leider unmöglich, Sir«, b edauerte Rector. »Sie bekommen nämlich Besuch.«
    Helen! dachte der Kapitän, und sein Herz machte einen kleinen Sprung. Sie kommt zurück. Ein Adrenalinstoß durchflutete seinen Körper, doch dann hörte er vom Gang her das Geräusch hastiger Trippelschritte und sank enttäuscht auf seinen Sessel zurück. Nein, das war nicht Helen, sondern der Zwerg ...
    James McCabe, genannt Jimmy, war zwar nicht wirklich zwergenwüchsig, aber mit knapp einem Meter sechzig Körpergröße auch alles andere als ein Hüne. Als zusätzliches Handicap hatte ihm die Natur ausgeprägte O-Beine mitgegeben, deren Länge bzw. Kürze in krassem Missverhältnis zum Rest seines Körpers stand und ihn zu besagten hektisch anm utenden Trippelschritten nötigten. An Bord der »Liberian Star«, dem ersten selbständigen Kommando des Kapitäns, hatte Jimmy schon vor Jahren als Lademeister angeheuert und gehörte dort sozusagen zum Inventar. Die Frotzeleien der Mannschaft ertrug er mit Humor und war nie um eine schlagfertige Antwort verlegen. In den spärlich beleuchteten Labyrinthen der Laderäume kannte er sich aus wie kein zweiter und flitzte wie ein Irrwisch zwischen Containern, Schüttgutbehältern und Tanks umher, um das Gesuchte am Ende doch aufzuspüren. Wie viele seiner irischen Landsleute besaß Jimmy eine ausgeprägte Vorliebe für geistige Getränke aller Art und gelegentlich enervierende Gesangsdarbietungen.
    Doch es war nicht der Whiskey gew esen, der ihm schließlich zum Verhängnis wurde, sondern eine defekte Magnetbremse und die Fehleinschätzung seiner eigenen Kräfte. In der Schwerelosigkeit besitzen materielle Objekte zwar kein Gewicht, wohl aber ein ausgeprägtes Beharrungsvermögen, ihre jeweilige Geschwindigkeit betreffend. Selbst ein Dutzend kräftiger Männer hätte den auf Jimmy zuschwebenden Container nicht aufhalten können, der ihm schließlich den Brustkorb zerquetscht hatte. Und so endete das erste Kommando des

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