Die zweite Invasion - Legenden der Zukunft (German Edition)
Abschiedsbrief – ein ang esichts der Umstände vollkommen irrationales Unterfangen, das er aus irgendeinem Grund dennoch für angemessen hielt. Er diktierte den Text nicht wie seine sonstigen Memos, sondern tippte ihn Wort für Wort auf einer virtuellen Tastatur ein, die ihm Rector auf den Schreibtisch projizierte.
Was ihm danach noch zu tun blieb, würde vie lleicht schmerzhaft sein, aber irgendwie musste er es hinter sich bringen.
»Rector?«
»Ja, Sir, haben Sie sich endlich dazu durchgerungen, die Partie aufzugeben?«
Der Kapitän lächelte: »Natürlich nicht. Sie bleibt so gespeichert, bis ich zurückkomme.«
»Ich verstehe nicht, Sir. Haben Sie denn vor, wegzugehen?«
Täuschte er sich, oder klang in der Frage tatsäc hlich eine Spur Verunsicherung mit?
»Ja, Rector. Ich werde die ›Orpheus‹ für unbestim mte Zeit verlassen und dir für die Dauer meiner Abwesenheit die volle Verantwortung für das Schiff übertragen.«
»Es ist mir eine Ehre, Sir«, e rklärte die KI stolz. »Darf ich Sie dennoch auf die Risiken eines derartigen Unternehmens aufmerksam machen?«
»Später, Rector, später«, wehrte der Kapitän ab. »Zunächst möchte ich dich bitten, dir ein paar I nstruktionen einzuprägen, die meine zeitweilige Abwesenheit betreffen.«
»Selbstverständlich, Sir.«
»Sobald ich von Bord gegangen bin, wirst du sämtliche Anlagen in den Passivmodus schalten und das Lebenserhaltungssystem deaktivieren. Wie lange könnte die ›Orpheus‹ unter diesen Bedingungen mit ihren Energiereserven auskommen?«
»Etwa 650 Standardjahre, Sir«, kam die prompte Antwort. »Solange keine Kurskorrektur vorgeno mmen werden muss oder sonstige unvorhersehbare Ereignisse eintreten.«
»Und würde der Betrieb eines Pos itions-Signalfeuers die Energiebilanz signifikant beeinflussen?«
»Im Intervallbetrieb kaum, Sir. A llerdings vermag ich im Augenblick keinerlei praktischen Nutzen in einem derartigen Arrangement zu erkennen.«
»Betrachte es einfach als sentimentale Geste, Re ctor. Früher haben die Menschen eine Kerze ins Fenster gestellt, wenn sie jemanden zurückerwarteten.«
»Danke, Sir, ich werde die Inform ation speichern. Darf ich anmerken, dass Ihnen diese Uniform ausgezeichnet steht? Erwarten Sie noch Besuch?«
Du bist doch nicht etwa neugierig, Superhirn?
»Nein, mein getreuer Wagenlenker«, erwiderte er amüsiert. »Diesmal bin ich es, der einen Besuch abstattet. Ich werde mich jetzt auf den Weg machen und verlasse mich darauf, dass du hier für mich wachst und das Feuer hütest.«
»Zu Befehl, Sir. Welchen Raumanzug darf ich vo rbereiten?«
»Keinen, Rector. Dort, wo ich hi ngehe, bedarf man dergleichen nicht.«
»Dann werden Sie sterben, Sir«, e rwiderte die KI nach einer Weile konsterniert. »Ich weiß nicht, ob ich das zulassen darf.«
»Das ist ein direkter Befehl«, e rklärte der alte Mann mit sorgfältiger Betonung. »Du musst ihn weder verstehen noch billigen. Aber ich möchte eigentlich gar nicht so formell werden. Ich bin gern mit dir geflogen, Rector, in all den Jahren, und ich bin überzeugt, dass unsere gemeinsame Zeit noch nicht vorüber ist. Vertrau mir ganz einfach und stell’ eine Kerze ins Fenster für mich ... für uns .«
»Danke, Sir«, erwiderte das Schiffsgehirn nach einer fast u nmerklichen Pause. »Es war auch mir stets eine Ehre und ein großes Privileg, Ihnen zu Diensten zu sein. Auch ich habe etwas gelernt an diesem seltsamen Ort. Ich weiß jetzt, was Hoffnung ist. Die ›Orpheus‹ wird hier auf Sie warten, Sir, was auch immer geschieht. Befehlsgemäß leite ich jetzt die Dehermetisierungs-Prozedur ein.«
Der Kapitän sagte nichts, aber als er sich abwan dte und zur Tür ging, wischte er sich verstohlen eine Träne aus dem Augenwinkel.
Seine Schritte waren fest und hal lten laut von den Schiffwänden wider, während er den Gang zur Transferschleuse durchquerte. Zischend schloss sich die hydraulische Tür hinter ihm, als er die Schleusenkammer betrat und ein letztes Mal tief ausatmete.
Dann glitt das Außenschott träge zur Seite, und aus kalten Kameraa ugen beobachtete das Schiff, wie der Kapitän in seiner goldbetressten Uniform hinausgeschleudert wurde und mit ausgebreiteten Armen der großen Dunkelheit entgegenschwebte, als wolle er sie umarmen.
***
And all that Memory loves the most
Was once our only Hope to be,
And all that Hope adored and lost
Hath melted into Memory.
Alas it is delusion all:
The future cheats us from afar,
Nor can
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