Die zweite Invasion - Legenden der Zukunft (German Edition)
selbst entzieht sich ihrem Fassungsvermögen, aber einen Jäger , der nach Jahrzehnten im Dienst der Zentrale plötzlich die Seiten wechselt und als Diener des Herrn zurückkehrt, werden sie zumindest anhören. Die Behörden können dich nicht verleugnen oder zur Fiktion erklären, weil viele dich persönlich kennen und die Belege für deine bisherige Existenz zu zahlreich sind.«
»Die Zentrale wird schon dafür sorgen, dass sie ve rschwinden«, wandte Vincent ein, »nachdem sie mich endgültig aus dem Weg geräumt hat.«
Der Fremde lächelte. »Niemand kann dir mehr etwas anhaben, Vincent, wenn du auf unser Angebot eingehst. Natürlich werden sie es versuchen, und vie lleicht wirst du Schmerzen erleiden müssen, aber mit jeder Wiederkehr – oder Auferstehung – wird sich deine Popularität erhöhen. Du wirst zur Legende werden wie jener Jehoschua, der hier an diesem Ort geboren wurde.«
Vincent schluckte und spürte, wie sich sein Her zschlag beschleunigte. Das war längst keine theoretische Diskussion mehr. Was der Fremde ihm anbot, war keine bloße Verlängerung seines Lebens mit all seinen Unwägbarkeiten, sondern die wirkliche Unsterblichkeit .
Noch vor Monaten hätte Vincent jeden ausg elacht, der ihm mit einem solchen Vorschlag gekommen wäre, aber die Dinge hatten sich geändert. War der Mann, der ihm gegenübersaß, nicht der beste Beweis für die Möglichkeit einer derartigen Existenz?
Vincent hatte sich die Videoaufzeichnung mehr als ein Dutzend Mal angesehen, die er in dem ze rstörten Stationsgebäude auf Stamfani sichergestellt hatte. Sie zeigte einen hochgewachsenen Vogelmenschen, der vor Hunderten Artgenossen eine Art Ansprache hielt, von der jedoch keinerlei Spur auf den Audiokanälen zu finden war, was den grotesken Eindruck einer Pantomime-Darbietung erzeugte. Auf welche Weise der »Redner« mit seinen »Zuhörern« kommunizierte, war an Hand der Aufnahmen nicht zu erkennen, dafür aber ein anderes Detail, das sich Vincent allerdings erst in der Zeitlupenwiedergabe offenbart hatte: Der vermeintliche Vogelmensch hatte den Angriff überlebt!
Es gab natürlich kein Geräusch, das der Machwe lle vorausging, und so traf sie die unglücklichen Wesen wie ein Blitz aus heiterem Himmel. Ihre Körper wurden innerhalb von Sekundenbruchteilen zu Boden geschleudert und buchstäblich zerschmettert. Einen Augenblick später traf die Druckwelle auch die Kamera und ließ das Bild nach oben kippen, aber mindestens drei Einzelbilder zeigten die Gestalt des »Redners« völlig unversehrt und aufrecht wie eine Skulptur, die Wind und Wetter trotzt. Doch selbst eine Skulptur aus Marmor, Stein oder Edelstahl vermochte einer Druckwelle mit 500 Sekundenkilometern Geschwindigkeit nicht standzuhalten ...
Niemand kann dir mehr etwas anhaben , hatte der Fremde gesagt, und angesichts der Bilder zweifelte Vincent nicht an seinen Worten. Die Frage war nur, welchen Preis er dafür zu zahlen hatte.
»Es wäre aber nicht mehr mein Körper, mit dem ich zurückkehren würde«, sagte er nach einer Weile.
»Nein, aber wer sagt dir, dass dein jetziger Körper überhaupt in dieser Form existiert? Das Bild, das du dir von ihm machst, entsteht in deinem Bewusstsein, so wie auch deine Ausflüge ausschließlich dort stattfinden.« Dann beugte er sich zu Vincent hinüber und flüsterte ihm etwas ins Ohr.
Vincent schluckte. Er wollte nachdenken, aber die Bilder, die der Fremde mit seinen Worten heraufb eschworen hatte, ließen sich nicht vertreiben. Eigentlich wollte er auch gar nicht, dass sie verschwanden, jetzt, da sie Teil einer möglichen Zukunft waren.
Dennoch missfiel Vincent die Vorstellung, auf ein Konstrukt angewiesen zu sein, das im Grunde nicht viel mehr als ein Avatar war. Wie sollte er mit dem Wissen leben, dass sein eigener Körper nur eine g eschickte Simulation war?
»Du wirst es vergessen«, erwiderte sein Gastg eber, und diesmal war sich Vincent nicht sicher, dass er die Worte tatsächlich laut ausgesprochen hatte. »Euer Bewusstsein ist ziemlich erfinderisch, was das Ausblenden unerwünschter Sachverhalte anbetrifft.«
Nein, der Fremde hatte die Lippen nicht bewegt, obwohl Vincent die Antwort klar und deutlich g ehört hatte. Vielleicht wollte er ihm auf diese Weise klarmachen, wie unzuverlässig seine Sinne waren. Er? Oder doch eher sie ? Bevor er eine Entscheidung traf, musste er wissen, mit wem er es zu tun hatte.
»Wer bist du wirklich?«, fragte Vincent noch einmal. »Jehoschua ist nur ein Name, der
Weitere Kostenlose Bücher