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Die zweite Invasion - Legenden der Zukunft (German Edition)

Die zweite Invasion - Legenden der Zukunft (German Edition)

Titel: Die zweite Invasion - Legenden der Zukunft (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank W. Haubold
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Begegnung sein Leben verändern würde. Danach würde nichts mehr so sein, wie es gewesen war, nicht für die Leute in der Stadt und erst recht nicht für jene, die sich mit ihm auf den Weg gemacht hatten. Sie hatten die ihnen vertraute Welt hinter sich gelassen, und jetzt schlug ihnen vor Aufregung das Herz bis zum Halse. Aber sie würden nicht umkehren, das hatten sie sich geschworen. Die Entscheidung war ihnen nicht leicht gefallen, doch sie wussten, dass ihnen diese Last niemand abnehmen konnte, wenn es – für alle – eine Zukunft geben sollte.
    Mit einem Knirschen setzte der Kiel des Bootes am Ufer auf. Die Metallmenschen blieben auf Di stanz und beobachteten ohne äußerliche Regung, wie die Besatzung das Boot verließ. Sie waren ohnehin nur Befehlsempfänger, aber das wussten die Neuankömmlinge nicht, so wie sie auch nicht ahnen konnten, dass jene, die sie erwarteten, kaum weniger aufgewühlt waren als sie selbst. Aber auch das musste so sein an diesem Tag des Neubeginns und der Hoffnung ...
     

Das Jenseits der Maschinen
     
    »Es ist eine Zumutung, Bruder Benedict, das wissen wir alle«, wiederholte der Generalabt mit einem bekümmerten Lächeln, das den jungen Pater noch mehr verunsicherte. »Und du hast unser Wort, dass wir deine Entscheidung akzeptieren werden, ganz gleich wie sie am Ende ausfällt. In dieser Angelegenheit bist du selbstverständlich nicht an deine Gehorsamspflicht gebunden. Auf der anderen Seite solltest du unsere Wahl auch als Vertrauensbeweis ansehen. Es gibt leider nur wenige Brüder, denen der Konvent und auch ich persönlich zutrauen, diese Prüfung – und um eine solche handelt es sich zweifelsohne – zu bestehen.«
    Es fiel Pater Benedict schwer, den wohlgesetzten Worten des Älteren etwas entgegenzusetzen. Lehnte er ab würde er trotz der Zusicherung des Abtes mit dem Makel leben müssen, seine eigenen Befindlic hkeiten über die des Ordens gestellt zu haben. Stimmte er jedoch zu – wogegen sich alles in ihm sträubte – machte er sich möglicherweise zum Werkzeug einer Blasphemie und riskierte im schlimmsten Fall die einzig feste Größe in seinem Leben: den Glauben an Seine Barmherzigkeit. Er war sein Halt, der Boden unter seinen Füßen, und der Sturz würde tief sein, wenn er ihn verlor ...
    Hätte ihn die Bitte unvorbereitet getroffen, wäre Pater Benedict die Ablehnung vermutlich leichter gefallen als jetzt im Wissen um die Zwangslage der Bruderschaft. Zu ungeheuerlich war die Anmaßung des »Angebots«, das dem Orden der Heiligen M adonna der letzten Tage von einem bislang unbekannten Zusammenschluss künstlicher Intelligenzen unterbreitet worden war. Doch die Begegnung – sofern man in diesem Zusammenhang überhaupt von einer Begegnung sprechen konnte – mit einem Abgesandten der Exosphere hatte allen Beteiligten klargemacht, dass es sich keineswegs nur um eine geschmacklose Provokation handelte, sondern um eine möglicherweise sogar existentielle Bedrohung.
    Dass man Pater Benedict überhaupt zu diesem Tre ffen hinzugezogen hatte, hing in erster Linie mit der herausgehobenen Position zusammen, die er trotz seines vergleichsweise jugendlichen Alters in der Societas Custodum , dem Sicherheitsdienst des Ordens, einnahm. Mit virtuellen Phänomenen durchaus vertraut, war er als einziger der Patres nicht überrascht gewesen, als der Avatar buchstäblich aus dem Nichts aufgetaucht war, und sich wie ein Geschöpf aus Fleisch und Blut zu ihnen gesellt hatte. Zweifellos handelte es sich um eine immaterielle Projektion von allerdings so beeindruckender Qualität, dass sich Pater Benedict noch Stunden nach der Zusammenkunft den Kopf darüber zermartert hatte, wie die Exosphere -Entitäten dies bewerkstelligt hatten.
     
    Der virtuelle Neuankömmling trug einen himmelblauen Maßanzug zum weißen Hemd, eine ebenfalls himmelblaue Fliege und eine verspiegelte Sonnenbrille, was ihm die wenig vertrauenerweckende Aura eines Bar- oder Casino-Besitzers verlieh. Dazu passend klang die Stimme, mit der er sich als Pete Rose vorstellte, wie die eines auf Schurkenrollen spezialisierten HV-Serien-Darstellers.
    Alles an ihm wirkte wie der komplette Gegenen twurf zum Habitus seiner Gastgeber: die dandyhafte Kleidung, die Spiegelbrille, die keinerlei Blickkontakt zuließ, und die Schauspielerstimme. Dennoch hätten die Patres seine äußere Erscheinung als geschmacklosen Scherz abtun können, wenn die Botschaft nicht so offensichtlich gewesen wäre: Eure Traditionen, eure Lebensweise und

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