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Die zweite Kreuzigung

Die zweite Kreuzigung

Titel: Die zweite Kreuzigung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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weiß nicht einmal genau, womit du dich beschäftigst. Du bist Lehrkraft an der Uni, das weiß ich, und da du in Oxford lebst, nehme ich an, dass du dort lehrst.«
    »Ich mache mehr Forschungsarbeit«, antwortete sie, und ihre Augen begannen von den Zwiebeln zu tränen. »Aber von Zeit zu Zeit habe ich auch Lehrveranstaltungen.«
    »Du Ärmste. Zu welchem Thema?«
    »Ethan, kannst du mal nachschauen, ob es hier irgendwo eine Risottopfanne gibt? Etwas Schweres aus Gusseisen wäre gut.«
    Er stand auf und begann in den Schränken zu wühlen. Mit tränenden Augen sah sie ihm zu. Seine Bewegungen beruhigten sie. Sie waren sicher, langsam, aber gründlich bei dem, was er tat. Zugleich schien er ihr interessiert zuzuhören.
    »Biblisches Hebräisch und Aramäisch«, sagte sie. »Ich bin im Zentrum für hebräische und jüdische Studien in Yarnton angestellt. Mein engeres Gebiet ist die Dokumentation und epigraphische Betreuung von Archäologen imHeiligen Land. Ich werde zu Ausgrabungen gerufen, und wenn sie etwas finden, das entziffert werden muss, dann pfeifen sie, und ich bin da. Ich bin auf die römische Zeit spezialisiert. Meine Dissertation habe ich über die Zerstörung des Tempels geschrieben. Das muss stinklangweilig für dich sein. Ich kann eine ziemlich öde Person sein, weißt du?«
    Triumphierend zog er eine schwere Le-Creuset-Pfanne von genau der richtigen Größe hervor.
    »Das kann ich mir nicht vorstellen«, sagte er. »Aber dass du so etwas tust, überrascht mich schon. Wie um alles in der Welt bist du darauf gekommen?«
    »Kannst du irgendwo ein Streichholz oder etwas anderes finden, um das Gas anzuzünden?«
    Ihm fiel ein, wo er Streichhölzer gesehen hatte. Auf einer Keksdose gegenüber dem Herd lag eine Schachtel. Er holte eines heraus und steckte eine Gasflamme an. Dann ließ er die Schachtel in seine Hosentasche gleiten und ging hinaus, um sich nach Kerzen umzuschauen.
    Sarah nahm die Pfanne in Empfang und füllte dann einen Topf mit Wasser. Ethan kehrte mit zwei Tafelkerzen und zwei kleinen gläsernen Kerzenständern zurück. Während das Wasser zum Sieden kam, hackte Sarah die Zwiebel. Das tat sie sehr gekonnt und blitzschnell. Als das Wasser gekocht hatte, goss sie es in einen großen Glaskrug, krümelte Hühnerbrühwürfel hinein und stellte das Ganze beiseite. Sie wischte sich die Tränen aus den Augen, schnitt eine Knolle Fenchel in Scheiben und hackte ein paar Knoblauchzehen. Ihm fiel auf, wie geschickt ihre Bewegungen waren, wie rasch und mühelos das scharfe Messer durch das Gemüse fuhr.
    »Du meinst, was ein nettes Mädchen wie ich an einem soöden Ort tut? Es hat alles mit Urgroßvater angefangen. Er war sehr interessiert an diesen Dingen. Das weißt du doch, oder?«
    »Ja, schon. Er hat immer mal etwas von der Bibel, dem alten Israel und Jesus’ Leben erwähnt. An Genaueres kann ich mich nicht erinnern. Und er ist mehrmals in Israel gewesen, das weiß ich. Meist in Jerusalem. Aber ich habe nicht gewusst, dass er das so wichtig genommen hat.«
    »Hast du dich denn niemals in seiner Bibliothek umgesehen?«
    »Na, reingeschaut habe ich schon manchmal.«
    Sie warf ihm einen leicht abschätzigen Blick zu.
    Sie nahm die Bratpfanne und erhitzte darin Olivenöl auf dem Gas.
    »Willst du mir weismachen, dir wären nie die vielen Bücher über biblische Archäologie aufgefallen?«
    »Vielleicht, aber ich kann mich nicht erinnern. Mich hat immer nur die Belletristik interessiert. Ich wollte in meinen Ferien was Spannendes lesen, das war alles. Und als Teenager habe ich mich natürlich auch gefragt, ob der alte Kerl … äh … auch noch was anderes hat.«
    Wieder dieser Blick.
    »Sprich nicht weiter. Dein Geschmack bei Pornos interessiert mich nicht.«
    »Na, hör mal, ich war damals ein pickliger Halbstarker. Und ich habe nie etwas gefunden.«
    »Auf dich sollte man ein strenges Auge haben, Ethan. Vielleicht heirate ich dich doch nicht. Also, was ich sagen wollte, Urgroßvater hat eine ganz bemerkenswerte Sammlung von Büchern zu diesem Thema. Er hat sich selbst etwas Hebräisch und Griechisch beigebracht und sich auch in Latein versucht. Seine Literatur ist nicht sehr systematisch,aber er besaß eine Menge guter Sachen. Als Studentin bin ich viel hier gewesen.«
    Jetzt kam der Reis zusammen mit den Zwiebeln in die Pfanne. Ein würziger Duft stieg auf.
    »Ich bin dir nie begegnet.«
    »Ich habe mich von dir ferngehalten. Ich habe mir immer gedacht, dass du ein lüsterner alter Knabe bist. Jetzt

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