Die Zweite Legion: Das Geheimnis von Askir 2 (German Edition)
Gebäude, das ich erkannte, ohne es je zuvor gesehen zu haben.
Es war ein Oktagon aus präzise geschnittenem grauen Stein, massiven Mauern, deren Bauart nicht zu verwechseln war, einem Tor, das weit offen stand, und hinter den Mauern erhob sich ein achteckiger Turm beinahe höher als der höchste Punkt der Tempel. Über ihm wehte die rote Flagge mit dem goldenen Drachen des Imperiums.
Gerade in den letzten Tagen, als sich unsere kleine Gruppe mühsam entlang einer vom Sand begrabenen alten Straße dieser alten Stadt entgegenbewegt und unsere Augen nichts als versandete Felder und verfallene Dörfer und Gehöfte erblickt hatten, schien uns die Hoffnung, dass das Alte Reich noch in irgendeiner Form bestand, immer schwerer aufrechtzuerhalten.
Der Anblick von Gasalabad, als es golden vor mir lag, hatte mir Hoffnung gegeben, aber sie entsprach nicht dem, was ich mir vom Alten Reich gewünscht hatte.
Aber dieses Gebäude drückte alles aus, was ich von diesem legendären Reich zu wissen glaubte.
Ohne dass ich es bemerkte, trugen mich meine Füße durch die Menschenmassen, vorbei an Ständen, Märkten, Tee- und Backstuben und Brunnen, direkt vor diese graue Zitadelle.
Die Mauern ragten nicht senkrecht in die Höhe, sondern waren leicht nach außen geschwungen. Der unbekannte Architekt hatte ihnen somit eine gewisse Leichtigkeit verliehen und Ähnlichkeit mit einer aufstrebenden Woge. Der Turm hinter den Mauern, der nicht minder massiv war, als ich es von den anderen Bauwerken des Reiches kannte, erhielt durch die Anordnung von großen Fenstern und Galerien eine einfache geometrische Eleganz, die in ihrer Schlichtheit groß wirkte. Obgleich auch hier das Baumaterial harter Fels war, hatte der Architekt diesmal einen Stein von hellem, lichtem Grau gewählt, dunkler unten am Boden, leichter und heller werdend in der Höhe, wo die Zinnen fast weiß erstrahlten. So wirkten die Mauern dieser Festung nicht bedrohlich, sondern versprachen freundliche Sicherheit.
Vor langer Zeit hatte ich einmal zu den Füßen eines alten Priesters Soltars gesessen und mit Vergnügen und deutlichem Hunger das weiße Tempelbrot gegessen, das er mir reichte. Ich hatte ihn gefragt, warum der Tempel seine Form hatte, ob es nicht auch einfach ein kleiner Schrein auf einem Platz getan hätte. Abgesehen davon, dass man mit der Pracht eines Tempels auch den Gott, dem er gehörte, ehren wollte, so erklärte mir der Priester mit einem Lächeln, gebe es ein Geheimnis, verborgen in der Form und Geometrie eines Gebäudes, das den Menschen Erhabenheit vermittelte, Kraft und Ruhe. Ein Tempel, sagte er, drücke allein schon durch seine Form aus, dass man an diesem Ort die Ruhe zur Besinnung habe und die schützende Hand des Gottes in seinem Haus zu spüren sei.
Diese Festung war ein Tempel. Ein Tempel zur Ehre des Alten Reiches.
Ich bemerkte, dass ich nun vor dem Tor stand, genauer gesagt, vor der Brücke zum Tor. Um diese Zitadelle herum lief ein breiter Graben, gefüllt mit dem kostbarsten Gut Bessareins, klarem, frischem Wasser. Schwäne glitten majestätisch über die spiegelglatte Oberfläche, und eine tiefe Mauer, niedriger als meine Hüfte und mit geometrischen Mustern verziert, verhinderte, dass jemand oder etwas in dieses kristallklare Wasser hineinfiel. Gut dreißig Schritt war der Graben breit, genug, dass der Baumeister an jeder der acht Ecken des Gebäudes im Wasser einen eleganten Turm platzieren konnte, Türme, die schlank aus dem Wasser ragten und sich, Blumen gleich, an ihrer höchsten Stelle zu einer Plattform verbreiterten. Dort sah man hinter spielerisch verzierten Zinnen Statuen von Tieren, so zum Beispiel links und rechts der Brücke einen Bullen und einen Greifen. Der Bulle zu meiner Rechten war kraftvoll und stämmig, aber der Künstler zeigte ihn, wie er friedlich an einer Blume zu schnuppern schien. Der Greif war nicht minder majestätisch und schnappte mit seinem gekrümmten Adlerschnabel beinah übermütig nach einem Schmetterling.
Ich suchte und fand die anderen Wappentiere der Kriegerclans des Alten Reiches, alle in irgendwelchen spielerischen Posen auf den Podesten dieser Säulen. Ich lachte laut auf, was mir die Blicke anderer Passanten einbrachte und sie veranlasste, einen weiten Bogen um mich zu machen.
Niemand befand sich zwischen mir und den Wachen am Tor, und ich bemerkte, dass mein Gelächter auch ihre Aufmerksamkeit erregte.
Ich ging weiter, betrat die Brücke und beugte mich über das niedrige Geländer, um einen
Weitere Kostenlose Bücher