Die Zweite Legion: Das Geheimnis von Askir 2 (German Edition)
ohnmächtig oder gar tot, andere ertrugen ihre Strafe schicksalsergeben. Unrat, faules Obst und anderes beschmutzten diese Unglücklichen, nur an zwei Prangern sah ich Familien, die sich um die Gefangenen kümmerten, sie wuschen oder fütterten, aber auch sie versuchten nicht zu verhindern, dass die Frauen beworfen wurden. Um einen dieser Pranger herum hatte sich eine Traube aus lachenden, johlenden Männern gebildet.
Zwei Stadtsoldaten schleppten gerade eine sich heftig sträubende junge Frau zu einem leeren Pranger, drückten sie in die Öffnungen, schlossen das Joch und rissen ihr dann ihr dünnes Kleid vom Leib. Einer der Wächter war der Erste, der sich an ihr verging.
Sie schrie vor Schmerz und Entsetzen auf. Fast sofort wurde sie vom erneuten Gelächter der Männerhorde übertönt. Der Grund ihrer Heiterkeit war ein anderer Mann, der mit breitem Grinsen einen Esel heranführte …
Ich schloss die Augen, wünschte mir beinahe, dass ich wieder blind wäre, und eilte durch das Tor. Auch bei uns gab es öffentliche Hinrichtungen und Strafen und selbst den Pranger. Aber auch gefangene Frauen standen unter dem Schutz Astartes. Bespucken, Beschimpfen oder auch mit faulen Tomaten Bewerfen, all das kam vor, vielleicht auch, verstohlen in der Nacht, anderes. Aber nicht so. Nicht so offen, als wäre es nichts Besonderes. Nicht als Zeitvertreib. Götter.
Waren das die Gesetze Askannons?
Zumindest Gasalabad war eine reiche Stadt und Heimstatt für mehr Menschen, als jemals in Kelar gelebt hatten. Nur in dieser Stadt konnte man leicht eine Legion rekrutieren. Aber die Leute hier waren fremder für mich als ihre Umgebung.
Der Platz der Ferne lag nun vor mir, und er verdiente seinen Namen. Er allein war größer als so manches Dorf, das ich kannte. Als ich den Platz durch das Tor der Reue betrat, vermochte ich nicht das Ausmaß seiner Dimension zu überblicken, ich sah zuerst nur ein Meer aus Menschen, Tieren und bunten Ständen. Zu meiner Rechten, anschließend an die Mauer und direkt neben dem Tor der Reue, stand eine große, stabile, leere Plattform.
Eine Säule, noch weit entfernt von mir, markierte den Mittelpunkt des Platzes. Sie ragte empor wie eine Nadel, zu schlank, um eine solche Höhe zu erreichen und nicht umzufallen. Etwas glänzte golden an ihrer Spitze, ich musste die Augen zusammenkneifen, um zu sehen, was es war. Die Figur eines Mannes. Er trug keinen Burnus, sondern weite Hosen und Jacke; er stand dort, eine Hand erhoben und ausgestreckt, die andere an der Seite in eine Schärpe gehakt, den Kopf zurückgelegt. Er sah nach oben und in die Weite, und über seiner Hand mit dem schweren Lederhandschuh schwebte ein goldener Adler, die Flügel ausgebreitet zu einem mächtigen Flügelschlag, ein Adler, der danach strebte, die Höhe und die Weite zu erlangen, die er brauchte, um glücklich zu sein.
Selten hatte mich etwas so berührt wie der Anblick dieser Statue. Ich war zu weit entfernt, um die Details sehen zu können, aber die anmutige Haltung, die Bewegung des Mannes, der den schweren Vogel soeben in die Luft geworfen hatte, das ferne Ziel, das der Blick von Mensch und Vogel anvisierte, all dies drückte für mich ein Verlangen nach Freiheit und nach Weite aus, den Wunsch, Neues zu sehen, zu erkunden und sich an dem Flug selbst zu erfreuen.
Der Platz der Ferne.
Ich sah mich um, und in diesem Moment hasste ich diese Stadt. Wie war es möglich, dass die Menschen dieses Landes solche Statuen, Brunnen und Plätze errichten konnten, solch einen Sinn für Schönheit besaßen und dennoch so viel Elend zuließen?
Ich trieb im Strom der Menschen mit und beobachtete. Ich erkannte, dass der Platz achteckig und von acht Gebäuden umschlossen war. Der Ort, an dem sie standen, war gewiss von der Wissenschaft der Geometrie und der Ausrichtung des Himmels bestimmt. Jedes dieser Gebäude hatte, obwohl von unterschiedlichem Stil, dieselbe Dimension in Höhe, Breite und Tiefe.
Vier Tempel besetzten Norden, Osten, Süden und Westen, ein jeder anders, ein jeder gleichermaßen beeindruckend. Und zwischen ihnen, zwischen den Tempeln des Himmels, standen an den Orten zwischen den Richtungen des Himmels die Tempel der Welt. Noch wusste ich es nicht, weil sie zu fern waren, als dass ich ihre Bedeutung in diesem Moment hätte erkennen können. Eine Bibliothek, ein Ort des Wissens; der Sitz des Magistrats, wo über das Schicksal der Stadt entschieden wurde; die Börse, der Tempel des größten Gottes dieser Stadt; zuletzt ein
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