Die Zweite Legion: Das Geheimnis von Askir 2 (German Edition)
passen, befindet sich in der Donnerfeste.«
Ich sah ihn an und stöhnte. »Nein, nur das nicht! Genauso gut könnte es sich auf einem der Monde befinden.«
Das Gebirge, vor dem der Gasthof Zum Hammerkopf lag, war als die Donnerberge bekannt. Der Pass durch die eisigen Höhen trug ebenfalls diesen Namen, Donnerpass, und die alte Feste, die hoch über dem Pass in den Felsen gebaut war, kannte man als die Donnerfeste. Vor Jahrhunderten schon war der einzige Zugang zu dieser Festung, welche einst den Pass bewachte und den Barbaren den Zugang zu den drei Reichen verwehrte, weggebrochen. Nur ein Adler konnte die alte Festung noch erreichen, selbst einer Bergziege wäre die Wand zu steil.
Ich konnte Leandras Ernüchterung spüren, als wäre es meine eigene. Bei jedem Schritt tauchten neue Widrigkeiten auf.
»Habt Ihr die Feste schon einmal gesehen, Meister Kennard? Sie liegt mitten in einer Steilwand. Eine hohe Mauer aus glattem Stein verschließt den Pass, eine Mauer so hoch und stark, als hätte ein Titan sie gebaut, und darin ist dann das Tor zum Pass. Es heißt, es hätte Jahre gedauert, in dieses Tor ein Loch zu schlagen, das groß genug ist, einen Wagen passieren zu lassen. In Zeiten des Winters ist das Tor unter Schnee und Eis begraben, aber nie reicht der Schnee an die Krone dieses Walls oder an die Feste heran.«
»Es gibt Wege, die steilste Wand zu erklimmen«, sagte Kennard. »Man muss sie nur suchen und finden.«
Ich ließ mich in meinen Stuhl zurückfallen und griff nach meinem Becher Wein. »Ich weiß nicht, wie lange die Festung schon nicht mehr zugänglich ist, aber es gibt mehr als genug Geschichten über sie. Wir wissen ja nun, wer sie erbaute, dieses Rätsel ist also gelöst, aber sie gilt immer noch als verwunschen. Es heißt, dass niemand, der sie je betrat, sie auch wieder verließ. Geister soll es dort geben und Ungeheuer, die in den alten Mauern hausen.«
»Ich frage mich nur, wer davon erzählt hat, wo doch niemand je wieder herauskam«, sagte Kennard mit einem feinen Lächeln.
Ich hasste es, wenn jemand seine Argumente derart mit Logik verzierte. Es klang dann immer so … vernünftig.
»Ebenso gut könnten wir versuchen, den Pass doch zu überqueren. Ein sinnloses Unterfangen.«
»Vielleicht nicht«, sagte Leandra. »Die Feste liegt an der höchsten Stelle des Passes, das ist richtig, aber von hier aus am ersten Fünftel des Weges.«
»Es wird schwierig genug sein, überhaupt so weit zu kommen. Die Kälte wird unser größtes Problem sein, der Schnee wird uns ermüden, und wenn uns ein Sturm überrascht, wird man uns erst im Frühjahr finden. Dieses Schicksal hat hier schon so manch anderen Reisenden ereilt.«
»Hhm«, meinte Kennard. »In diesem Buch gibt es Hinweise auf einen Gang, der von hier zur Feste führen soll.«
»Das sind gut zwanzig Meilen«, sagte ich. »Niemand baut einen Gang, der so lang ist.«
»Das ist auch nicht nötig«, hörte ich Zokoras Stimme. Sie war an unseren Tisch getreten. Ich schaute zu ihr hoch und empfand, wie schon häufig, ihre Schönheit als verwirrend. Wäre nicht die dunkle Farbe ihrer Haut, sie und Leandra hätten Schwestern sein können. Beide besaßen sie die feinen Linien ihrer elfischen Vorfahren, schmale, gerade Nasen, edel geschwungene Lippen, hohe Wangenknochen … Gesichtszüge, die man in Fresken an alten Tempelwänden fand oder auch auf den Büsten längst vergangener Herrschergeschlechter. Vielleicht war Schönheit nicht das richtige Wort, eher wäre Charakter angebracht, es war die Summe der Einzelteile, die mich so berührte. In einem solchen Gesicht Zokoras kalte Augen zu sehen erschien mir immer als befremdlich, als müsste es anders sein, als müsste auch ihr Blick jene Wärme zeigen, die so oft in Leandras violetten Augen stand. Aber Zokoras Augen waren schwarz wie Kohle oder dunkelste Nacht. Nur selten hatte ich in ihnen eine Regung gesehen. Einmal sah ich Wut, Schmerz und Hass in ihnen, und damals hatten sie unheilvoll in dunklem Rot geglüht.
Viel mehr als das jedoch irritierte mich ihre Fähigkeit, immer wieder unbemerkt in meinen Rücken zu gelangen. Ich könnte schwören, sie wusste das ganz genau und tat es absichtlich, auch bei nichtigen Gelegenheiten. So wie jetzt. Warum, bei den Göttern, konnte sie nicht einfach, wie jeder andere Mensch auch, zu uns treten?
»Wie meint Ihr das?«, fragte Leandra und rückte auf ihrer Bank zur Seite, um Zokora Platz zu machen.
Die Dunkelelfe setzte sich geschmeidig wie eine Katze.
Weitere Kostenlose Bücher