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Die Zweite Legion: Das Geheimnis von Askir 2 (German Edition)

Die Zweite Legion: Das Geheimnis von Askir 2 (German Edition)

Titel: Die Zweite Legion: Das Geheimnis von Askir 2 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Schwartz
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er den Faden durch seinen Stich zog, legte er dort einen Hauch der Paste auf, denn der Faden war in die Salbe eingelegt gewesen. Ich konnte fast zusehen, wie die Naht heilte.
    »Ihr teilt dieses Geschenk Eures Gottes auch mit anderen, die seine Gnade benötigen? Das ist gut so«, sagte der Priester. »So ist es gedacht. Aber, um auf den Dieb zurückzukommen, er brachte Euch heute hierher. Denn Ihr werdet benötigt. Weniger Ihr selbst als das heilige Garn.«
    Der Priester vor mir nähte nun die Haut zusammen, ich war beeindruckt, wie schnell er so weit gekommen war. Meine Finger kribbelten und verloren nun die fahlblaue Färbung. Er war mit Sicherheit der beste Chirurg, dem ich je begegnet war.
    »Er folgte Eurem Rat. Seine Augen sind noch immer geschlossen. Und ja, es ist ein Meisterwerk der Heilkunst … Doch Größeres wird von ihm verlangt werden, denn seht, was im Eingang des Tempels geschieht.«
    Ich schaute auf und sah über das gebeugte Haupt des Priesters hinweg eine Handvoll Leute in den Tempel stürmen. Eine alte Frau, eine Großmutter, aber noch rüstig, in kostbare Gewänder gekleidet, ihr Gesicht von Gram verzehrt, Panik in ihren blassen Augen, eilte voraus. In ihren Armen lag eine junge Frau, kaum älter als ein Dutzend und vier, blutüberströmt und leblos.
    Hinter ihr her eilten Wachen, die sich hastig ihrer Schwerter entledigten, und ein hoch gewachsener Mann mittleren Alters. Sein Gesicht ähnelte dem des Mädchens und der alten Frau.
    Selbst auf die Entfernung sah ich den zerfleischten Körper; die Wunde war noch schlimmer als die, welche Zokora in der Bärenhöhle erlitten hatte.
    »Es gibt seit einigen Tagen«, fuhr der Priester mit seiner ruhigen Stimme fort, »eine Sensation auf diesem Markt. Ein Bestienhändler stellt einen Greifen zur Schau. Dieses majestätische Tier ist ein erbärmlicher Anblick. Seine Schwingen wurden gestutzt, sein Schnabel mit Bolzen durchbohrt – das erlaubt ihm nur noch ein beschränktes Öffnen des Schnabels –, seine Augen sind meist mit ledernen Kappen verbunden, sodass das Leid in ihnen die Menschen nicht erreicht. Eine schwere Kette hält ihn an einem Pflock, der ungeschickt zwischen die Platten des Marktes getrieben wurde. Als einer der Männer, die ihn füttern, ihn mit einem Stock schlug, zuckte das Tier zusammen und riss den Pflock aus dem Boden. Der Mann, derselbe Mann, der eben jenen Bolzen vorher unauffällig gelockert hatte, tat dies, als die jüngste Tochter des Emirs das arme Wesen bewunderte und gerade verkündete, dass sie dem Greifen die Freiheit schenken wolle. Doch dieses arme Geschöpf wusste nur, dass der Pflock sich löste. Kann man es dem Tier verdenken, dass es blind in die Freiheit flüchten wollte?«
    Wohl kaum, dachte ich und beobachtete, wie die alte Frau sich suchend umsah und ihr Blick auf unser kleines Tableau fiel. Sie konnte von ihrer Warte aus gut erkennen, dass hier ein Chirurg an der Arbeit war.
    »Es war ihr Schicksal, dass sie dem armen Tier im Weg stand. Zuerst warf der Greif sie nur um, aber der Mann hielt ihn an der Kette zurück und zwar so, dass der Greif über der wehrlosen jungen Frau stand. Dann stach er mit einer Lanze auf den Greifen ein und brachte das Tier zur Raserei. Es wusste nicht, wen es mit seinen Krallen zerriss. Das Ergebnis seht Ihr hier. Der Greif ist nun ohne sein eigenes Verschulden eine menschenmordende Bestie und der Mann ein Held, weil er den Greifen bezwang. Die Tochter des Emirs steht nun an der Schwelle zu Soltars Reich. Alles kam genau so, wie es geplant war.«
    Woher wusste der Priester das alles? Es machte keinen Unterschied. Priester wussten viel, und vieles unterlag dem Schweigebann. Selbst wenn sie, wie in diesem Fall, von einem geplanten Verbrechen erfuhren. Dann musste es hart sein zu schweigen.
    Der Priester hatte gerade den letzten Stich getan, als die alte Frau uns erreichte. Sie hielt ihm ihre Enkelin entgegen; ich verstand nicht, was sie sagte, es war, als hätte sie keine Stimme, obwohl ich sah, wie ihr Mund sich bewegte.
    Ich machte Platz, und die Tochter wurde auf den Chirurgentisch gelegt, von dem der Priester und ich nur eine Ecke in Beschlag genommen hatten. Ich sah nun aus nächster Nähe die fürchterlichen Wunden.
    »Nur ein Wunder kann sie retten, Herrin!«, rief der Priester mit Verzweiflung in der Stimme. »Jeder in Gasalabad verehrt die Essera Faihlyd, so auch ich! Ich würde mein Leben geben, um sie zu retten, allein … ich kann nicht!«
    Er rang verzweifelt die Hände,

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