Die Zweite Legion: Das Geheimnis von Askir 2 (German Edition)
zu weisen. Gestattet mir, Euch zu Eurer Herberge zu begleiten. Wenn Ihr mir einen Namen nennt und es die Götter fügen, kenne ich den Ort Eurer Rast und führe Euch auf den Pfad der Tugend zurück. Zurück zu dem Ort, von dem aus Eure Füße Euch in die Irre führten. Damit Ihr Euch nicht nochmals verirrt, wird man euch des Morgens sogar zum Tor begleiten. Es heißt, ein jeder, sei er noch so verloren, findet seinen Weg nach Hause«, sagte der Mann mit einer Verbeugung. »Es ist uns natürlich eine Ehre.«
Ein wenig hatte ich schon von Armin di Basra gelernt. Ich verbeugte mich ebenfalls. »Die bescheidene Herberge, die mir in dieser schönen Stadt einen Ort der Ruhe gönnt, nennt sich das Haus der Hundert Brunnen. Sollte ich mich verlaufen haben, so wird man dort bestimmt dafür Sorge tragen, dass ich ungestört mein Ziel erreiche.«
Seine Augen zogen sich zusammen, und er atmete tief durch. »Verzeiht, Esseri, dass ich Euch nicht erkannte. So bemüht war ich, den Frieden dieser Stadt zu bewahren, dass ich in meinem Eifer wohl zu lange in der Sonne stand. Meine Sinne waren verwirrt, ich dachte in meiner Einfalt, Ihr hättet einen Jungen ergriffen, der einem Dieb ähnelt. Nun jedoch, durch die Gnade der Götter, sehe ich, dass zwischen Eurem entlaufenen Mündel und einem stadtbekannten Langfinger nur wenig Ähnlichkeit besteht. Unzweifelhaft haben die Götter Euch hierher geführt, damit Ihr Euer Mündel wiederfindet.«
Er verbeugte sich tief, ich verbeugte mich tiefer.
Dann drehte sich die Wache um und wandte sich an die Zuschauer. »Was steht ihr hier und glotzt, als gäbe es tanzende Affen zu bewundern? Habt ihr keine Arbeit? Ich kenne da ein Arbeitshaus, das faule Hände schnell zu fleißigen macht. Hinfort!«
Es war überraschend zu sehen, wie schnell sich die Menge auflöste.
Ich setzte mich neben den Jungen, lehnte mich mit dem Rücken an die Säule des Geländers und zog meine Pfeife heraus.
Der Junge sah zu mir hoch, mit einem Ausdruck puren Entsetzens in seinem Gesicht.
»Nun«, sagte ich, als ich die Pfeife stopfte. »Mein Name ist Havald. Ich bin in einem fernen Land ein Fürst und ein Führer von Kriegern. Das, was du gestohlen hast, ist ein Schatz, der meinem Lehnsherrn gehört. Nicht nur, dass er verzaubert ist, nicht nur, dass er Unglück bringt, wenn man ihn stiehlt, nicht nur, dass er euch nichts nützt, er ist mehr wert als mein eigenes Leben.« Ich lächelte auf ihn herab. »Und weitaus mehr wert als das deine. Also Junge, wie heißt du?«
»Selim, Esseri«, sagte er leise.
»Meinst du, wir können uns zivilisiert unterhalten, ohne dass du weitere Anstrengungen unternimmst, mich zu verstümmeln?«
Er nickte heftig. »O Esseri, ich werde mit Euch reden, auf welche Art Ihr auch immer es wünscht! Sagt mir, wie ich es zi-zi-zivaliert tun kann, und ich werde mich bemühen, es so schnell wie möglich zu erlernen! Es tut mir leid, dass ich Euer kostbares Blut vergoss, und sicherlich werden mich die Götter dafür strafen.« Dann sah er mich vorwurfsvoll an. »Ich wusste ja nicht, wer Ihr seid!«
Ich strich mit meinem Finger über den Tabak im Kopf der Pfeife, zog an ihr, blies einen Rauchring in die Luft und nahm den Finger von der Glut. Selim wurde totenbleich.
»Zivilisiert bedeutet, nach bestimmten Regeln. Meinen Regeln. Ich stelle dir eine Frage. Du beantwortest sie so wahr, als würdest du vor Boron selbst Zeugnis ablegen. Jede Frage, die du mir beantwortest, lässt mich dir etwas mehr verzeihen. Jedes Ausweichen und jede Lüge wird mich jedoch an den Zorn erinnern, den ich spürte, als du die Hand eines adligen Kriegers, eines Fürsten, meine Hand, verstümmelt hast.«
Er schluckte mühsam.
Ich zog ihn mit einer Bewegung in eine sitzende Position und lehnte ihn neben mich an die Säule.
»Nun, da wir uns so gut kennen und uns hier so bequem eingefunden haben, erzähl mir, welchen Weg mein Beutel genommen hat und wo ich ihn wiederfinden werde.«
»Ja, Esseri«, hauchte er.
Noch während wir dort saßen und er meine Fragen beantwortete, erschien im Tor des Tempels die ältere, reich gekleidete Frau. Sie fiel auf der Schwelle auf ihre Knie und pries mit altersbrüchiger Stimme Soltars Gnade, verkündete ein Wunder, denn durch die Macht des Gottes war ihre Enkelin vor ihren Augen geheilt worden.
Überall vor dem Tempel ließen sich die Menschen zu Boden fallen und ehrten den Herrn des Todes mit ihren Gebeten, verkündeten lauthals das Wunder. Sie lobten Soltar oder riefen dankbar
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