Die Zweite Legion: Das Geheimnis von Askir 2 (German Edition)
nicht, das wird die Gerüchte mehren?«, fragte Varosch dennoch.
Ich zuckte mit den Schultern. »Wenn es nach mir geht, brauchen wir solche Bäume nicht mehr zu pflanzen.« Mir fiel etwas auf. »Wo ist Selim?«
Armin trat vor.
»Esseri, verzeiht, er ist mir entkommen. Der undankbare Dieb entwich in einem der Kanäle. Es ist nicht schade um ihn, denn er hat uns und Euch ohne Zögern verraten.«
»Hast du ihn getötet?«, fragte ich, denn ich sah einen sonderbaren Ausdruck auf seinem Gesicht.
»Verrat ist eine Sünde. Es mag sein, dass er zufällig in meinen Dolch lief, Esseri, doch wenn, hatte er Glück, denn die Götter fügten es so, dass die Klinge schmal und scharf war.«
»Was willst du damit sagen? Dass er seinen Tod nicht bemerkt hat?«
Armin warf sich mir vor die Füße. »Ich wusste, dass Ihr nicht den Tod des Jungen wünscht, aber auch nicht seinen Verrat. Er weiß viel über Euch. Die Klinge traf ihn sowohl glücklich als auch unglücklich. Glücklich, weil sie seine Adern verfehlte. Unglücklich, weil sie den Ort fand, wo im Hals der Ton entsteht. Er wird fortan Selim der Stumme sein.«
»Das hättest du nicht tun dürfen«, sagte ich.
Er presste die Stirn in den Staub zu meinen Füßen. »O Meister der Gnade, ich tat ihm einen Gefallen, denn hätte ich es nicht getan, wäre er fortan als Selim der doppelte Verräter bekannt geworden. Ihr wisst, Herr, er verriet zuerst die Diebe, dann, nachdem er Eurer Gnade teilhaftig wurde, auch Euch. Hätte er seine Stimme behalten, wäre der Tod ihm sicher gewesen.«
Der junge Mann vom Haus der Hundert Brunnen räusperte sich. »Esseri, Euer Diener hat recht. Dieser Selim wäre gestorben, vielleicht hätte er auch Euch noch einmal in Gefahr gebracht. Verschont Euren Diener.«
Ich seufzte.
»Steh auf. Ich werde mir deine Strafe auf dem Weg zurück überlegen.«
»O Meister der unendlichen Gnade, ich wusste, dass Ihr ein weiser Mann seid, dem die Worte der Vernunft wie strahlende Fackeln in der Dunkelheit …«
»Havald«, sagte Zokora.
»… erscheinen. Nie habe ich einem besseren Herrn …«
»Ja?«
»… gedient, nie sah ich mehr Mut, mehr Tapferkeit mehr …«
»Schweigepflicht«, sagte sie.
»… mehr wahrhaft gottgegebene Einsicht! Ich …«
»Armin?«
»O Gebieter, was wünscht Ihr von mir?
»Schweig.«
Stille. Göttliche Stille.
31. Ein kleiner Scherz und alte Legenden
Kurz bevor wir in die Straße einbogen, die zum Haus der Hundert Brunnen führte, wandte ich mich an den diskreten jungen Mann. »Wie seid Ihr dorthin gelangt?«
»Es war meine Pflicht, über Euch zu wachen, Esseri. Ich bin heute der Hüter der Nacht. Ich sah Euch und Eure Freunde unser Haus verlassen. Die Straßen von Gasalabad können gefährlich sein.«
»Wie Ihr selbst erfahren habt.«
Er blickte zu Boden. »Ja, Esseri. Als ich Euren Diener und den Jungen aus dem Haus kommen sah, musste ich mich entscheiden, ob ich in den Kanal steigen oder Euren Diener nach Hause geleiten sollte. Ich war feige und entschloss mich, Eurem Diener ungesehen zu folgen. Er wurde überfallen, ich versuchte einzugreifen und unterlag selbst. Das ist es auch schon.«
»Wie ist Euer Name, Freund?
»Faisal da Farin, aus dem Haus des Wassers.«
»Ich dachte, aus dem Haus der Hundert Brunnen?«
»Nein. Das Haus des Wassers ist mein Hausname, die Familie, zu der ich gehöre.«
»Kennt Ihr die anderen Häuser?«
»Ja, die meisten«, antwortete er.
Zokora hielt warnend die Hand hoch. Wir traten in den Schatten einer Mauer und standen still. Über uns raschelte etwas, dann sprangen vom Dach eines Gebäudes vier dunkle Gestalten herab.
»Mögen die Engel in den Himmeln euren Großmut loben, bevor die Dämonen der Höllen euch euren Geiz spüren lassen. Gebt, und gebt reichlich von Herzen, und die Götter werden auf euch herabsehen, in dem Wissen, dass ihr eine gute Tat vollbracht und einen armen Bauernsohn aus einer kleinen finanziellen Notlage befreit habt. Also gebt mir, o hohe Herren, euren Schmuck und euer Gold!«, deklamierte einer der Männer vor uns, er hätte einen besseren Barden abgegeben als einen Halunken.
Hinter uns sprangen vier weitere Kerle von den Dächern herab.
Zokora sah mich an und verdrehte die Augen.
»Waren das alle?«, fragte ich.
»Noch vier«, sagte sie. »Auf dem Dach.«
Meine Augen waren noch an die Dunkelheit gewöhnt, jetzt sah ich sie deutlich. Vor und hinter uns standen jeweils vier abgerissene Gestalten, bis auf zwei waren sie mit Knüppeln
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