Die Zweite Legion: Das Geheimnis von Askir 2 (German Edition)
Leandras Nadel … Noch während ich darüber nachdachte, wie seltsam es sich anfühlte, als sie die Haut zusammenzog, gab ich mich wieder der Dunkelheit hin.
»Ein teures Nachtlager«, hörte ich Janos sagen, als ich meine Augen aufschlug. Es war immer noch dunkel. Ich wünschte, jemand würde eine Laterne anzünden.
»Das Gift wirkte nicht«, sagte Varosch bitter. »Ich weiß, dass ich ihn getroffen habe, aber er reagierte nicht.« Er klang irgendwie angestrengt, als ob er sich nur mit Mühe beherrschen könnte.
Ein seltsames Geräusch drang an meine Ohren, zuerst konnte ich es nicht erkennen, ein diffuses Wimmern, leise nur, aber anhaltend. Dann verstand ich, dass es genau das war:
Jemand wimmerte. Ich dachte zuerst, ich wäre es selbst – mir war danach zumute –, aber es stammte nicht von mir.
»Wer ist noch verletzt?«, fragte ich.
Ich spürte eine Hand auf meiner Stirn. Leandra. »Ah, du bist wieder wach. Ich hatte schon Sorge. Du bist kühl, das ist gut.«
Ich griff nach ihrer Hand und führte sie an meinen Mund. Für einen Moment genoss ich ihre Nähe. »Wer ist das?«, fragte ich erneut.
»Zokora«, kam Varoschs Stimme.
»Ist sie verletzt?«
»Als der Bär mich angriff, hatte ich noch die Armbrust in der Hand. Sie rief irgendetwas, um ihn von mir abzulenken, und sprang auf seinen Rücken! Sie ritt ihn, während sie ihr Schwert in ihn rammte. Aber dann warf er sie ab und …«
»Und was?«
»Der Bär traf sie unterhalb des Brustkorbs. Er … er riss ihr die Bauchdecke auf.« Leandra sprach leise für Varosch weiter.
»Bei den Göttern! Sie hätte das nicht tun sollen, sie ist so zierlich!«, rief Varosch. Ich glaube, er weinte.
»Sie ist schwer verletzt. Es ist ein Wunder, dass sie noch lebt.« Leandra drückte meine Hand.
»Wird sie es schaffen?«, fragte ich.
Ich spürte an ihrer Hand, dass ihre Schultern bebten. »Ich weiß es nicht. Aber sie kämpft.«
»Die Innereien, sind sie beschädigt?«, fragte ich und wollte mich aufrichten. Leandra drückte mich mühelos wieder zurück; ich hatte im Moment nur die Kraft eines kleinen Kindes.
»Ja. Das ist das Problem.«
»Man kann das nähen. Ich habe es einmal gesehen.«
»Ich habe noch nie gehört, dass jemand das überlebt hat. Es eitert immer«, sagte Leandra leise.
»Man muss ein paar Dinge beachten. Könnt ihr mal eine Laterne anmachen, ich muss an meinen Rucksack!«
Stille. Einen ewigen Moment lang. Dann Leandras Stimme.
»Havald. Die Laterne steht direkt neben deinem Kopf …«
Ich hob die Hand, tastete, spürte die Wärme. Ich wandte den Kopf, fühlte die Wärme auf meinem Gesicht … tastete mit der Hand nach meinen Augen. Sie waren offen.
»Was ist, Havald?«, fragte Janos.
»Ich kann nichts sehen.«
Blind. Oft hatte ich schon Blinde gesehen. Bettler, die mit ihren schwärenden, hohlen Augen an mir vorbei ins Leere blickten, Diebe, die auf Befehl der Krone geblendet worden waren, Soldaten, denen ein Streich das Augenlicht genommen hatte, oder alte Männer und Frauen, die allmählich das Licht der Welt verloren hatten. Es war ein Diktum Astartes, dass man, ging es einem selbst besser als anderen, diesen helfen sollte. Ich gab nicht oft, denn gab man einmal einem Bettler, wurde man sie nicht mehr los, doch wenn ich einen Blinden sah, gab ich häufig.
Das Augenlicht zu verlieren, die Welt und ihre Schönheit nicht mehr sehen zu dürfen, war für mich ein Schicksal, das ich mich nicht zu tragen imstande fühlte.
Jetzt hatte es mich ereilt. Ich fuhr mit den Händen über mein Gesicht und suchte die Verletzung, die mir mein Augenlicht genommen hatte, aber ich spürte nichts als die Stoppeln meines Bartes. Durch die Verletzung an meiner Seite abgelenkt, hatte ich bisher kaum bemerkt, dass ich auch Kopfschmerzen hatte. Die Ursache war schnell gefunden: eine riesige Beule an meinem Hinterkopf. Ich fuhr mit den Fingern dort entlang, aber Leandra hielt mich auf.
»Nicht! Vorsichtig!«
»Was ist?«
»Du bist mit dem Kopf gegen die Felswand geschlagen. Ich befürchte, dass dabei etwas gebrochen ist. Die Stelle fühlt sich merkwürdig weich an.«
»Seht Ihr denn gar nichts?«, fragte Sieglinde.
»Doch«, antwortete ich. »Einen hellen Riss, wie eine helle Spalte im Dunkeln, in dem sich kleine leuchtende Blasen tummeln … Es ist seltsam. Aber sonst … nichts.«
Ich hatte mit meinem Finger die Stelle erkundet, von der Leandra sprach. In meiner Vorstellung hatte ich schon befürchtet, dass mein gesamter Hinterkopf wie eine
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