Die zweite Nacht
einem kurzen Moment nickte ich und lief weiter.
Frederik brach schließlich das Schweigen. »Ich muss zugeben, dass ich beruhigt bin, dass es doch Menschen gibt, mit denen du tatsächlich redest.«
Unfreiwillig musste ich lachen.
Er brummte. »Ich habe im ersten Moment ja gedacht, dass ich nicht richtig sehe. Es ist reiner Zufall, dass ich hier vorbeigekommen bin und ich war total in Gedanken versunken. Ah, da sitzt Helen und scherzt mit einem Obdachlosen. Nach fünf Metern bin ich abrupt stehengeblieben und habe zurückgespult, was ich da gerade gedacht habe.«
»Und jetzt hältst du mich für merkwürdig«, schlussfolgerte ich schlicht.
»Dass du ein kleiner Freak bist, habe ich gleich zu Anfang festgestellt«, korrigierte er mich und ignorierte meinen bösen Blick. »Ich nehme nicht an, dass jemand außer mir weiß, dass du doch eine Seele hast, oder?«
Als Antwort stieß ich lediglich ein verächtliches Geräusch aus und ließ im gleichen Moment zu, dass Frederik meine Hand nahm. Er verschränkte seine Finger mit meinen und drückte einen kurzen Kuss auf meinen Handrücken. Vor lauter Entsetzen wäre ich fast vor eine Straßenlaterne gelaufen.
Dabei war ich nicht schockiert darüber, dass Frederik sich so benahm – daran hatte ich mich inzwischen gewöhnt. Ich war primär fassungslos, weil ich mich nicht gewehrt hatte. Schlimmer noch: Es gefiel mir möglicherweise. Das warme Gefühl in meiner Brust könnte ein Hinweis darauf sein, dass ich etwas für ihn empfand. Oder es war eine schwere Bronchitis. Ich hoffte auf den zweiten Fall.
8
Vor meiner Tür blieb ich stehen und drehte mich um. »Also, wie war das? Du bist den ganzen Tag verabredet?«
Frederik winkte ab. »Ich habe meine sozialen Verpflichtungen für heute erfüllt und ich meine, gehört zu haben, wie du etwas von hübscher Unterwäsche erzählt hast.« Er grinste mich an.
»Das könnte sein, allerdings kann ich mich nicht mehr so genau an gestern Abend erinnern.«
Frederik trat mit funkelnden Augen auf mich zu. »Wenn du mich in deine Wohnung lässt, finde ich die Einkaufstüte sicherlich und frische dein Gedächtnis auf.«
Ich schlang die Arme um seinen Nacken und hätte beinahe entgegnet, dass ich ihn in noch mehr als nur meine Wohnung lassen würde. Nur mit Mühe konnte ich mir diesen schlechten Witz verkneifen. »Das klingt ziemlich gut, würde ich sagen. Möchtest du vorher etwas essen?«
»Würdest du etwa für mich kochen?«, fragte Frederik, sein Gesicht schon recht dicht vor meinem.
»Nein, aber ich kann ganz exzellent chinesisches Essen bestellen.«
Er hob den Kopf. »Gut, dass du das sagst.« Dann löste er sich aus meiner Umarmung und drehte sich um. »Apropos Bestellung: Du hast heute Morgen offensichtlich deine Klingel nicht gehört.«
Verwirrt zog ich die Stirn kraus und sah zu, wie Frederik seine Tür aufschloss und sich bückte. Er zauberte ein kleines Paket hervor und mir wurde schlagartig heiß. Ganz großartig, das hatte ich fast vergessen.
Schnell sandte ich ein Stoßgebet zum Himmel. Verdammte Lieferverzögerungen! Es war Wochen her, dass ich die Bestellung in einem Wutanfall aufgegeben hatte. Hoffentlich konnte ich mich beherrschen. »Ach, danke.«
Ich streckte die Hand nach dem Paket aus und tastete in meiner Tasche bereits nach dem Wohnungsschlüssel.
»Magst du chinesisch?«, fragte ich gelassen, dabei raste mein Herz.
Frederik nickte und folgte mir in meine Wohnung, wo er den Karton auf den Tisch legte. Meine Hand hatte er ignoriert.
Gerade als ich ihm die Karte reichte und glaubte, dass ich davon gekommen war, sagte er ruhig: »Dir ist klar, dass ich natürlich den Absender gegoogelt hab.«
Scheiße. Scheiße. Scheiße.
»Hm«, machte ich und hängte meine Jacke auf. Statt sich an den Küchentisch zu setzen, steuerte Frederik zielstrebig die Couch an. Er setzte sich und schaltete den Fernseher an, während er gleichzeitig die Füße auf den Tisch legte und die Karte studierte. Ein wahres Multitasking-Talent!
Doch ich hatte schon kapituliert und holte zwei Flaschen Bier aus dem Kühlschrank. Im letzten Moment rebellierte allerdings mein Magen, der sich nur zu gut an die Cocktails von gestern erinnerte und ich wich auf Pfirsich-Eistee aus.
Als ich neben Frederik Platz nahm, hielt er mir schon die Karte hin. »Danke, aber ich brauche sie nicht. Ich nehme immer das Gleiche.«
Er lachte. »Ich auch. Einmal die 47, bitte.«
Ich fischte das Telefon vom Wohnzimmertisch, doch er nahm es mir ab. »Lass
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