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Die zweite Stufe der Einsamkeit

Die zweite Stufe der Einsamkeit

Titel: Die zweite Stufe der Einsamkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George R. R. Martin
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ich.
    „Escht“, lud uns der Shkea ein. Er griff in den Korb und holte zwei dampfende Pasteten hervor. Eine drückte er mir in die Hand, die andere Lya.
    Ich starrte die Rolle zögernd an. „Danke“, sagte ich zu dem Alten. Ich zog Lya mit der freien Hand mit mir, und wir gingen gemeinsam davon. Die Gebundenen schauten uns lächelnd nach, und noch bevor wir die Straße halbwegs hinuntergekommen waren, begannen sie wieder zu läuten.
    Die Fleischpastete lag noch immer in meiner Hand, und die Kruste verbrannte mir die Finger. „Soll ich das Ding essen?“ fragte ich Lya.
    Sie nahm einen Biß von ihrer Rolle. „Warum nicht? Wir hatten sie doch auch gestern abend, in diesem Restaurant, nicht wahr? Und ich bin sicher, Valcarenghi hätte uns gewarnt, wenn das einheimische Essen für uns gefährlich wäre.“
    Das ergab einen Sinn, und so führte ich die Rolle an meinen Mund und nahm im Weitergehen einen Bissen. Sie war scharf, und ich meine wirklich scharf, und sie war nicht annähernd so wie die Fleischrolle, die wir gestern im Restaurant probiert hatten. Das waren goldbraune, lockere Dinger gewesen, leicht mit Orangewurz von Baldur gewürzt. Die einheimische Version war knusprig, und die Fleischfüllung triefte vor Fett und verbrannte mir die Zunge. Aber sie war gut, und ich war hungrig, deshalb hielt die Rolle auch nicht lange vor.
    „Hast du sonst noch irgend etwas herausbekommen, als du den kleinen Burschen gelesen hast?“ fragte ich Lya um einen Mundvoll heißer Pastete herum.
    Sie schluckte und nickte. „Ja, hab’ ich. Er war glücklich, noch mehr als die anderen. Er ist älter. Er ist der Letzten Vereinigung nahe, und er freut sich sehr darauf.“ Sie sprach jetzt wieder so unbefangen wie immer; die Nachwirkungen, die das Lesen der Gebundenen mit sich gebracht hatte, schienen vergangen zu sein.
    „Warum?“ überlegte ich laut. „Er wird sterben. Warum ist er so glücklich darüber?“
    Lya zuckte die Schultern. „Tut mir leid, er dachte nicht in großartigen analytischen Details.“
    Ich leckte meine Finger ab, um auch das letzte bißchen Fett loszuwerden. Wir waren an einer Straßenkreuzung angelangt, und Shkeen strömten in alle Richtungen an uns vorbei, und jetzt konnten wir mehr Glocken im Wind hören. „Andere Gebundene“, sagte ich. „Sollen wir sie uns ansehen?“
    „Was können wir schon herausfinden? Etwas, was wir nicht ohnehin schon wissen? Wir brauchen einen menschlichen Gebundenen.“
    „Möglicherweise ist ein Mensch mit von der Partie.“
    Ich bekam einen sarkastischen Blick von Lya zugeworfen. „Ha. Was wetten wir?“
    „Schön, es ist unwahrscheinlich“, gab ich zu. Es war jetzt später Nachmittag. „Vielleicht ist es besser, wir gehen zurück. Morgen fangen wir früher an. Abgesehen davon – wahrscheinlich erwartet uns Dino zum Abendessen.“
     
    Dieses Mal wurde das Dinner in Valcarenghis Büro serviert, nachdem ein paar zusätzliche Möbel hereingeschafft worden waren. Seine Quartiere lagen, wie sich herausstellte, nur ein Stockwerk tiefer, aber für gesellschaftliche Anlässe zog er das Büro hier oben vor, wo seine Gäste den phantastischen Turmrundblick genießen konnten.
    Wir waren zu fünft: Lya und ich, Valcarenghi und Laurie und Gourlay. Laurie bereitete das Essen zu, beaufsichtigt von Meisterkoch Valcarenghi. Es gab Beefsteaks – von Tieren, die auf Shkea gezüchtet wurden, jedoch von Alt-Erde-Tieren abstammten –, dazu ein phantastisches Gemüsegericht, das unter anderem Pilze von Alt-Erde, Kriechknollen von Baldur und Süßhörnchen von Shkea enthielt. Dino experimentierte gerne, und dieses Gericht war eine seiner Erfindungen.
    Lya und ich erstatteten einen umfassenden Bericht über die Abenteuer dieses Tages, nur hin und wieder von Dinos kurzen, aufmerksamen Fragen unterbrochen. Nach dem Essen räumten wir Tisch und Geschirr fort und machten es uns gemütlich, tranken Veltaar und unterhielten uns. Dieses Mal stellten Lya und ich die Fragen, und Gourlay besorgte den Großteil des Antwortens. Valcarenghi hörte zu; er saß auf einem Bodenkissen, hatte einen Arm um Laurie gelegt, und mit der freien Hand hielt er sein Weinglas. Wir waren nicht die ersten Talente, die Shkea besuchten, erzählte er uns. Und auch nicht die ersten, die behaupteten, die Shkeen seien menschenähnlich.
    „Vielleicht hat das etwas zu bedeuten“, sagte er. „Aber ich weiß es nicht. Sie sind keine Menschen, wissen Sie. Nein, Sir. Sie haben beispielsweise einen viel ausgeprägteren

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