Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die zweite Stufe der Einsamkeit

Die zweite Stufe der Einsamkeit

Titel: Die zweite Stufe der Einsamkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George R. R. Martin
Vom Netzwerk:
Zehn-Minuten-Spaziergang vom Fluß zur Siedlung vor. Er legte die Waldstraße mit einem leichten, gemessenen Schritt zurück, stoppte hier und da, um Ranken und niedere Zweige beiseite zu fegen. Es war immer ein angenehmer Spaziergang. Die Nächte waren ruhig und die Lüfte wohlriechend vom Duft einheimischer Bäume und schwer von den Liedern der Nachtflieger.
    Die Siedlung war größer und heller und lauter als die Flußstation: ein dicker Klumpen aus Häusern und Bars und Läden, längs des Raumhafens gebaut. Es gab ein paar Gebäude aus Holz und Stein, aber die meisten Siedler waren noch mit den Plastik-Fertigunterkünften zufrieden, die ihnen die Gesellschaft gratis gegeben hatte.
    Kabaraijian schlenderte die frisch gepflasterten Straßen entlang zu einem der wenigen Holzgebäude. Es gab ein schweres Holzschild über der Schänkentür, aber keine Lichter. Drinnen brannten Kerzen, und es gab gepolsterte Stühle und ein richtiges Holzfeuer. Es war eine behagliche Schänke, die älteste auf Grotto, und noch immer das bevorzugte Wasserloch für Leichenführer und Jäger und sonstiges Personal der Flußstation.
    Ein lauter Ruf begrüßte ihn, als er eintrat. „He! Matt! Hier drüben!“
    Kabaraijian hörte die Stimme und folgte ihr zu einem Tisch in der Ecke, wo Ed Cochran bedächtig vor einem Krug Bier saß. Cochran trug – ebenso wie Kabaraijian – die blauweiße Jacke eines Leichenführers. Er war groß und schlank, mit einem mageren Gesicht, das oft ein Grinsen zeigte, und einer Menge rotblonder Haare.
    Kabaraijian sank dankbar auf den Stuhl ihm gegenüber. Cochran grinste. „Bier?“ fragte er. „Wir könnten uns einen Krug teilen.“
    „Nein, danke. Mir ist heute abend eher nach Wein. Etwas Volles und Mildes und Langsames.“
    „Wie war’s?“ fragte Cochran.
    Kabaraijian zuckte mit den Schultern. „Okay“, sagte er. „Vier hübsche Steine, ein Dutzend kleine. Munson hat mir eine gute Schätzung gegeben. Morgen müßte es besser werden. Ich habe eine schöne neue Stelle gefunden.“ Er wandte sich kurz zur Theke hin um und gab einen Wink. Der Wirt nickte, und ein paar Minuten später brachte er den Wein und die Gläser.
    Karaijian schenkte ein und nippte, während Cochran seinen Tag zum besten gab. Es war nicht gut gelaufen; nur sechs Steine, keiner davon sehr groß.
    „Du mußt weiter hinausstreifen“, sagte Kabaraijian zu ihm. „Die Höhlen hier in der Gegend sind ziemlich abgegrast. Aber die Hohen Seen reichen weiter und weiter. Finde eine neue Stelle.“
    „Warum sich die Mühe machen?“ sagte Cochran stirnrunzelnd. „Kann sie sowieso nicht behalten. Was für einen Prozentsatz gibt es dafür, daß man sich selbst k.o. schuftet?“
    Kabaraijian. drehte das Weinglas langsam in einer schmalen, dunklen Hand herum und betrachtete die traumroten Tiefen. „Armer Ed“, sagte er; in seiner Stimme war ein Unterton: halb Traurigkeit, halb Spott. „Alles was du siehst, ist Arbeit. Grotto ist ein schöner Planet. Mir machen die zusätzlichen Meilen nichts aus , Ed, ich genieße sie. Ich würde wahrscheinlich in meiner Freizeit herumreisen, wenn man mich nicht dafür bezahlen würde. Die Tatsache, daß ich größere Wirbelsteine bekomme und meine Schätzwerte hochgehen – nun, das ist zusätzlicher Profit.“
    Cochran lächelte und schüttelte den Kopf. „Du bist verrückt, Matt“, sagte er herzlich. „Der einzige Leichenführer im Universum, der froh wäre, würde man ihn mit Landschaft bezahlen.“
    Kabaraijian lächelte auch, ein leichtes Anheben der Mundwinkel. „Philister“, sagte er vorwurfsvoll.
    Cochran bestellte noch ein Bier. „Sieh mal, Matt, du mußt praktisch denken. Sicher, Grotto ist okay, aber du wirst nicht dein ganzes Leben lang hier sein.“ Er setzte sein Bier ab und zog den Ärmel seiner Jacke hoch, um sein schweres Armband aufblitzen zu lassen. Das Gold schimmerte sanft im Kerzenschein, und die Saphire tanzten mit dunkelblauer Flamme. „Abfall wie der hier war einmal wertvoll“, sagte Cochran, „bevor man gelernt hat, ihn synthetisch herzustellen. Sie werden auch die Wirbelsteine knacken, Matt. Du weißt, daß sie das werden. Sie lassen ihre Leute bereits daran arbeiten. Also hast du noch zwei Jahre, oder drei. Aber was dann? Dann wird man keine Leichenführer mehr brauchen. Also ziehst du weiter, nicht besser dran als am Anfang, nach der Landung.“
    „Stimmt nicht ganz“, sagte Kabaraijian. „Die Station zahlt recht gut, und meine Schätzwerte sind nicht schlecht

Weitere Kostenlose Bücher