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Die zweite Stufe der Einsamkeit

Die zweite Stufe der Einsamkeit

Titel: Die zweite Stufe der Einsamkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George R. R. Martin
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und dann erst die Höhle durchsuchen.
    Hatten sie ihn gesehen? Wußten sie, wo er war?
    Plötzlich erinnerte er sich an seinen Leichenregler und tastete unter Wasser, um sich zu vergewissern, daß er noch intakt war. Das war er. Und er funktionierte; Regler waren wasserdicht. Er regelte nur nicht mehr. Aber er könnte trotzdem noch nützlich sein …
    Kabaraijian schloß die Augen und versuchte auch, die Ohren zu verschließen. Er löschte seine Sinne in voller Absicht und konzentrierte sich auf die fernen sensorischen Echos, die noch in seinem Verstand raunten. Sie waren da. Noch schwächer als sonst, aber weniger wirr; es gab jetzt nur zwei Eindrucksreihen. Sein dritter Leichnam schwamm ein paar Fuß von ihm entfernt, und er sendete nichts mehr.
    Er verknotete seinen Verstand und hörte zu und versuchte zu sehen. Die Nebel festigten sich zögernd. Zwei Bilder, beide schwankend, nahmen Gestalt an, überlagerten einander. Ein Empfindungswirrwarr, aber Kabaraijian zog an den Fäden. Die Bilder lösten sich auf.
    Eine Leiche stand hüfttief im grünen Wasser, bewegte sich langsam, hielt eine Spitzhacke. Sie konnte den Stiel des Werkzeugs sehen und die darum geschlossene Hand und das allmählich tiefer werdende Wasser. Aber sie sah nicht einmal in Kabaraijians Richtung.
    Der zweite Tote war in der Barkasse, ließ eine Hand auf den Kontrollen ruhen. Auch er sah nicht her. Er starrte auf die Instrumente hinunter. Ein Leichnam brauchte eine Menge Konzentration, um irgendeine Art von Maschine bedienen zu können. Deshalb ließ ihn der Führer ein konzentriertes Auge auf die Apparaturen gerichtet halten.
    Nur, daß er mehr sehen konnte als nur die Apparaturen. Er hatte eine sehr gute Sicht über die ganze Barkasse.
    Und plötzlich rastete alles ein. Jetzt davon überzeugt, daß ihn die zerstörte Barkasse ihrem Sichtfeld entzog, glitt Kabaraijian weiter in ihren Schatten zurück, warf eine Hand über die Seite und zog sich an Bord, geduckt, damit man ihn nicht entdeckte. Die Felsen hatten ein Loch in den Boden des Bootes gerissen. Aber die Werkzeugkiste war heil. Er kroch zu ihr hin und riß sie auf. Die Leichen hatten den Großteil der Abbauausrüstung ausgeladen, aber ein Reparatursatz war noch da. Kabaraijian nahm einen schweren Schraubenschlüssel und einen Schraubenzieher heraus. Er steckte den Schraubenzieher hinter seinen Gürtel und umfaßte den Schraubenschlüssel fest. Und wartete.
    Die andere Barkasse war fast heran, und er konnte das Summen ihres Motors und des Wassers hören, das sich vor ihrem Bug teilte. Er wartete, bis sie ganz dicht an seinem Boot war. Dann federte er hoch und sprang.
    Er landete genau in der Mitte des anderen Bootes, und die Barkasse schaukelte unter der Wucht des Aufsprungs. Kabaraijian ließ dem Gegner keine Zeit zu reagieren – wenigstens nicht die Zeit, die ein Leichnam brauchte. Er machte einen einzigen kurzen Schritt und ließ den Schraubenschlüssel in einem wuchtigen Rückhand-Schlag auf den Schädel des toten Mannes heruntersausen. Die Leiche sackte nach hinten. Kabaraijian bückte sich, ergriff ihre Beine und hob sie an. Und plötzlich war der Tote nicht mehr in der Barkasse.
    Und Kabaraijian, der herumfuhr, sah auf das verblüffte Gesicht von Ed Cochran hinunter. Er hob die Hand mit dem Schraubenschlüssel in dem Augenblick, als der andere nach den Kontrollen griff und die Geschwindigkeit erhöhte. Das Boot beschleunigte und raste auf den Durchlaß zu. Höhle und Leichen blieben zurück, und Dunkelheit schloß sich mit den felsigen Wänden um sie herum. Kabaraijian schaltete die Lichter an.
    „Hallo, Ed“, sagte er, und hob den Schraubenschlüssel wieder an. Seine Stimme war sehr hart und sehr kalt.
    Cochran hauchte einen geräuschvollen Seufzer der Erleichterung. „Matt“, sagte er. „Gott sei Dank, ich bin gerade zu mir gekommen. Meine Leichen … sie …“
    Kabaraijian schüttelte den Kopf. „Nein, Ed, das zieht nicht. Komm mir bloß nicht damit. Gib mir den Überlagerungs-Kasten.“
    Cochran sah erschrocken aus. Dann ließ er – mit einiger Mühe – sein Grinsen aufblitzen. „He. Du machst wohl Spaß, stimmt’s? Ich habe keinen Überlagerungs-Kasten. Ich hab’ dir doch gesagt, ich habe eine andere Barkasse gehört.“
    „Da war keine andere Barkasse. Das war eine Schutzbehauptung – für den Fall, daß du versagen würdest. Ebenso der Schlag, den du am Strand abbekommen hast. Ich wette, das war heikel – deinen Leichnam die Spitzhacke so schwingen zu lassen,

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