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Die zweite Stufe der Einsamkeit

Die zweite Stufe der Einsamkeit

Titel: Die zweite Stufe der Einsamkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George R. R. Martin
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Kabaraijian los und strampelte zur Oberfläche hinauf. Das Wasser war nur brusthoch. Er stand auf dem regungslosen Leichnam und hielt ihn unten, während er tiefe Atemzüge einsog.
    Die Barkasse hatte sich auf einen Kamm gezackter Felsen gespießt, die sich an einer Seite des Ausgangs aus dem Wasser erhoben. Der Ausgang aus der Höhle war noch vorhanden, umrissen in einem Schatten – ein paar Fuß entfernt. Aber jetzt – war er sicher? Ohne eine Barkasse? Kabaraijian überlegte, ob er zu Fuß hinausgehen sollte, und gab die Idee im gleichen Augenblick auf. Es waren zu viele Meilen zurückzulegen, bis er einfaches Tageslicht erreichte, ganz zu schweigen von der Sicherheit der Flußstation. Das würde bedeuten, in der Dunkelheit von dem ganzen Rest seiner Leichenmannschaft gejagt zu werden. Diese Aussicht schickte ihm ein Frösteln über den Rücken. Nein, besser hierbleiben und seinem Angreifer die Stirn bieten. Er trat von der Leiche herunter und arbeitete sich zu den Trümmern seiner Barkasse hinüber, die noch auf den Felsen hing, die sie erwischt hatten. Abgeschirmt durch das Wrack war er schwer zu entdecken – oder wenigstens schwer zu sehen. Und wenn ihn sein Feind nicht sehen konnte, war es schwer, die Leichen auf ihn zu hetzen.
    Mittlerweile konnte er vielleicht seinen Feind finden.
    Seinen Feind. Wen? Bartling natürlich. Es mußte Bartling sein oder einer seiner gedungenen Leute. Wer sonst?
    Aber wo ? Sie mußten nahe sein, in Sichtweite des Strands. Man kann eine Leiche nicht per Fernbedienung führen; das Empfindungsfeedback ist nicht gut genug. Die einzigen Eindrücke, die man bekommt, sind Sehen und Hören, und die nur schwach. Man muß die Leiche sehen , sehen, was sie macht und was man sie tun lassen will. Also war Bartlings Mann hier irgendwo in der Nähe. In der Höhle. Aber wo?
    Und wie? Kabaraijian dachte darüber nach. Es mußte die andere Barkasse sein, die Barkasse, die Cochran gehört hatte. Jemand mußte ihnen gefolgt sein, jemand mit einem Überlagerungs-Kasten. Vielleicht hatte Bartling während der Nacht einen Peilsender an seiner Barkasse anbringen lassen.
    Nur – woher wußte er, welche Barkasse er anpeilen sollte?
    Kabaraijian bückte sich leicht, damit sich nur noch sein Kopf über dem Wasser zeigte, und hielt am Heck der zerstörten Barkasse vorbei Ausschau. Der Strand war ein weißer Sandstreifen über die blaßgrüne Länge der riesigen Höhle hinweg. Es gab kein Geräusch, bis auf das des Wassers, das gegen die Seite des Bootes klatschte. Aber da war Bewegung. Die zweite Barkasse war vom Sand heruntergezogen worden, und eine der Leichen kletterte an Bord. Die anderen bewegten sich langsam, wateten in das unterirdische Becken hinaus. Ihre Spitzhacken ruhten auf den Schultern.
    Sie kamen auf ihn zu. Der Feind vermutete also, daß er noch da war. Der Feind machte Jagd auf ihn. Wieder war er versucht, zum Ausgang hinzutaumeln, davonzulaufen und ans Tageslicht zurückzuschwimmen, aus diesem schrecklichen Halbdunkel heraus, in dem sich seine eigenen Leichen an ihn heranpirschten.
    Er zermalmte den Impuls. Möglicherweise würde er einen Vorsprung herausschinden, während sie die Höhle durchsuchten. Aber den würden sie mit der Barkasse in Null Komma nichts wettmachen. Er konnte versuchen, sie im Labyrinth der Höhlen abzuhängen. Aber wenn sie ihn überholten, konnten sie einfach an den Ausgängen der Höhlen warten. Nein, nein. Er mußte hierbleiben und seinen Feind aufspüren.
    Aber wo ? Er suchte die Höhle ab und sah nichts. Es war eine große Fläche aus düsterem Grün – Gestein und Wasser und Strände. Der Teich war mit ein paar großen Felsen gesprenkelt, die sich aus dem Wasser erhoben. Ein Mann könnte sich dahinter verstecken. Aber keine Barkasse. Da war nichts groß genug, um eine Barkasse zu verbergen. Vielleicht trug der Feind eine Taucherausrüstung?
    Aber Cochran hatte eine Barkasse gehört …
    Das Leichenboot hatte die Höhle halb durchquert, glitt auf die Ausfahrt zu. Es war sein Toter, der am Steuer saß, der Braunhaarige. Die beiden anderen Leichen kamen hinterher, arbeiteten sich im Kielwasser der Barkasse durch das seichte Wasser voran.
    Drei tote Männer auf der Pirsch. Aber irgendwo versteckte sich ihr Führer. Der Mann mit dem Überlagerungs-Kasten. Ihr Verstand und ihr Wille. Aber wo?
    Die Barkasse kam näher. Fuhr sie weg? Vielleicht dachten sie, er würde sie zu erreichen versuchen? Oder … Nein, wahrscheinlich würde der Feind die Ausfahrt blockieren

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