Die zweite Stufe der Einsamkeit
Und vor allem tue ich mir leid, der ich dort war. Und nicht zurückkehren kann. Ich vermute, das macht mich so selbstsüchtig. Aber so ist das eben, fürchte ich. Und ich versuche, damit zu leben.
Und ich glaube irgendwie an das, was ich mache. Vielleicht ändert Weltreg eines Tages ihre Meinung, und wir bekommen mehr Sternenkreuzer. Und ich kann wieder hinausfliegen. Und ein paar Ihrer Kinder mitnehmen, wer weiß? Es ist auch für sie, wissen Sie.“
An dieser Stelle wollte es Becker beenden. Aber der Arzt, noch immer nicht überzeugt, kam wieder zurück. „Das ist ein großer Zug von Ihnen“, sagte er. „Aber bevor Sie ihnen die Sterne geben, versuchen Sie, ihnen etwas zu essen zu geben oder eine gesunde Umgebung.“
Becker blickte sich im Raum um. Es war sehr spät, und die meisten seiner Zuhörerinnen waren nach Hause gegangen. Zeit, um abzubrechen, dachte er. Eine weitere verdammte Vorführung morgen.
„Ich könnte Ihnen darauf antworten“, sagte er. „Aber ich werde es nicht tun. Ich werde Sie nicht überzeugen, Doktor. Und Sie werden mich auch nicht überzeugen, fürchte ich. Also, machen wir Schluß. Friede?“
Er lächelte und reichte ihm die Hand. Der Arzt schüttelte sie. Dann drehte sich Becker zu der Vorsitzenden und den paar Matronen um, die noch geblieben waren, und wünschte ihnen eine gute Nacht. Und ging.
Es war kalt draußen, auf den Oberetagen, und ein frischer Nachtwind pfiff zwischen den Turmspitzen die Straße entlang. Auf dem Weg zu den Etagenverbindungsröhren blieb Becker stehen und sah auf. Aber der Smog lag schwer über der Stadt, und er konnte die Sterne nicht sehen.
Und vielleicht war das auch gut so.
Chicago
Juli 1972
Ein Lied für Lya
A SONG FOR LYA
Die Städte der Shkeen sind alt, viel älter als die der Menschen, und die große rostrote Metropole, die sich auf ihrem Heiligen Hügelland erhob, war nachweislich die älteste von allen. Die Shkeen-Stadt hatte keinen Namen. Sie brauchte keinen. Obwohl sie Hunderte und aber Hunderte großer und kleiner Städte gebaut hatten, kannte die Hügelstadt keine Konkurrentin. Sie war die gewaltigste, sowohl an Größe wie an Einwohnerzahl, und sie stand allein in den Heiligen Hügeln. Sie war ihr Rom, ihr Mekka, ihr Jerusalem; alles in einem. Sie war die Stadt, und endlich, in den letzten Tagen vor der Vereinigung, strömten alle Shkeen zu ihr hin.
Diese Stadt war schon in den Tagen, da Rom fiel, uralt gewesen, sie war mächtig und groß, als Babylon noch ein Traum war. Jedoch umgab sie keine Aura von Alter. Das menschliche Auge sah nur Meilen und Meilen niedriger Ziegelsteinkuppeln; kleine Buckel aus getrocknetem Lehm, die die gewellten Hügel wie ein Hautausschlag überzogen. Im Innern war es düster und stickig. Die Räume waren klein, das Mobiliar primitiv.
Dennoch war es keine trostlose Stadt. Tag für Tag kauerte sie in diesen kahlen Hügeln, brütete unter einer heißen Sonne, die wie eine überreife gelbe Melone am Himmel hing; aber die Stadt strotzte vor Leben: Speisengerüche, das Lärmen von Gelächter und Geplauder und spielenden Kindern, das geschäftige Treiben und der Schweiß von Ziegelmännern, die die Kuppeln instandhielten, der Glockenklang der Vereinigung in allen Straßen. Die Shkeen waren ein heiteres und lebensfreudiges Volk, fast wie Kinder. Es gab bestimmt keinen einzigen Hinweis auf ihr großes Alter oder ihre reife Weisheit. Dies ist eine junge Rasse, sagten die Äußerlichkeiten, dies ist eine Kultur in ihren Kindertagen.
Aber diese Kindertage hatten bereits mehr als vierzigtausend Jahre gedauert.
Die Stadt der Menschen war das eigentliche Kind: noch keine zehn Erdenjahre alt. Sie war am Rande des Hügellandes erbaut, zwischen der Shkeen-Metropole und den staubigbraunen Ebenen, auf denen der Raumhafen entstanden war. Nach menschlichen Begriffen war es eine schöne Stadt: offen und luftig, mit zierlichen Laubengängen und glitzernden Springbrunnen und weiten, baumgesäumten Boulevards. Die Gebäude waren aus Metall und farbigem Plastik und einheimischen Hölzern gefertigt worden, und die meisten waren aus Rücksicht auf die Bauweise der Shkeen niedrig. Die meisten … Der Administrativturm war die Ausnahme: eine polierte blaue Stahlnadel, die einen kristallklaren Himmel spaltete.
Man konnte ihn meilenweit in allen Richtungen sehen. Lyanna erspähte ihn sogar schon, bevor wir landeten, und wir bewunderten ihn aus der Luft. Die trostlosen Wolkenkratzer von Alt-Erde und Baldur waren höher,
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