Die zweite Tochter: Thriller (German Edition)
den Behandlungsbereich abschirmte. In der Hand hielt sie eine Schmerztablette und einen Pappbecher mit Wasser. Sie war noch jung und lächelte. »Ihre Entlassungspapiere brauchen noch ein bisschen. Wir haben gerade eine Menge zu tun.«
Jill schluckte die Schmerztablette und trank den Becher in einem Zug leer. »Darf ich Sie um einen Gefallen bitten? Können Sie mir die Ergebnisse einer Blutuntersuchung ausdrucken, wenn ich sie Ihnen zumaile. Es ist wichtig.«
»Gern. Ich gebe Ihnen meine Mailadresse.«
»Vielen Dank.« Jill leitete Donnas Mail weiter. »Wie geht es dem anderen Fahrer mit der Kopfverletzung?«
»Das darf ich Ihnen nicht sagen, das wissen Sie doch.«
»Ich möchte ja auch keine konkrete Diagnose. Aber seine Freundin kommt gleich vorbei, und ich möchte sie vorbereiten. Sie ist meine Stieftochter.«
»Nun«, sagte die Krankenschwester, »ich kann Ihnen sagen, dass er im OP ist. Unsere besten Ärzte kümmern sich um ihn.«
»Haben Sie eine Ahnung, wann die Polizei kommt?«
»Soviel ich gehört habe, ist sie auf dem Weg. Ich glaub, das hier kann weg.« Die Schwester zog den Vorhang beiseite. Jill hatte jetzt freie Sicht auf die hypermoderne Notaufnahme, von der mehrere Untersuchungszimmer abgingen. Ärzte, Krankenschwestern und Pfleger hasteten vorbei, in den Händen hielten sie Papiere, Krankenakten und Medikamente. Hier oder in einer Notaufnahme speziell für Kinder hätte Jill gern gearbeitet.
»Lassen Sie sich nicht aufhalten. Inzwischen sehe ich mir das alles hier voller Neid an.«
Die Schwester lächelte. »Ich komme dann mit dem Ausdruck und Ihren Entlassungspapieren wieder.«
»Darf ich ausnahmsweise noch einmal mein Handy benutzen?« Jill deutete auf das Verbotsschild. »Ich muss dafür sorgen, dass meine Tochter abgeholt wird.«
»Okay, aber von mir haben Sie die Erlaubnis nicht bekommen.« Die Schwester zwinkerte ihr zu und ging.
Als Jill sich setzte, schmerzten ihr Hals und Rücken. Sie schickte an Katie eine SMS : »Kannst du Megan um 17.45 Uhr vom Schwimmen abholen und mit zu dir nehmen? Erzähl dir alles später.« Katie antwortete sofort: »Mach ich. Backe gerade Cupcakes.«
Jill lächelte und verspürte den Wunsch, Sam anzurufen. Egal ob ihm ihr Anruf nun willkommen war oder nicht. »Schatz?«
»Hi, wie geht’s dir?«, fragte Sam mit kühler Stimme.
»Ich bin okay, aber es ist etwas Schreckliches passiert. Zwei Wagen haben mich von der Straße gedrängt. Der eine Fahrer konnte fliehen, aber der andere hatte einen Unfall. Es ist Victorias Freund Brian.«
»Was? Wo bist du?«
»In einer Notaufnahme in New Jersey. Die Polizei ist schon auf dem Weg.«
»Wie fühlst du dich?« Sam klang wieder wie sonst, voller Besorgnis.
»Mir geht es wirklich gut.« Jill unterdrückte ein Schluchzen. »Aber der Wagen ist Schrott.«
»Das ist Nebensache. Du könntest tot sein.«
»Ich denke, dass das der Sinn der Aktion war.«
»Das ist ja der helle Wahnsinn. Aber warum wollte Brian dich umbringen?«
»Das weiß nur Gott.«
»Und Victoria.«
»Wie meinst du das?«, fragte Jill überrascht. Gerade betrat ihre ehemalige Stieftochter die Notaufnahme. Sie trug ein kurzes, modisches Jackett, hautenge Jeans und schicke Stiefel, ihr blondes Haar war wie immer raffiniert hochgesteckt. Sie suchte nach einer Krankenschwester, doch die einzige in Sichtweite hatte sich hinter einem Monitor versteckt und telefonierte.
»Denk doch mal nach«, sagte Sam. »Brian kennt dich nicht. Also ist Victoria diejenige, die dir den Tod wünscht. Wahrscheinlich hat Brian in ihrem Auftrag gehandelt.«
Jill wollte nicht glauben, was Sam da von sich gab. »Aber Victoria ist meine Tochter. Beziehungsweise ist sie wie eine Tochter für mich. Wir verstehen uns im Moment vielleicht nicht besonders gut, aber dennoch …«
»Geld regiert die Welt, mein Schatz, und William hat eine hohe Lebensversicherung abgeschlossen. Vielleicht hat Victoria ihn deshalb umgebracht – oder ihr Freund Brian in ihrem Auftrag.«
»Victoria soll William ermordet haben? Was für eine absurde Idee.« Jill beobachtete Victoria, die ungeduldig darauf wartete, dass die Schwester ihr Gespräch beendete. »Ihr würde so etwas niemals auch nur in den Sinn kommen.«
»Abby hat dich dazu gebracht, dem Tod ihres Vaters nachzugehen. Vielleicht hatten Victoria und Brian Angst, dass du ihnen auf die Schliche kommst, und wollten dich deshalb aus dem Weg räumen.«
»Unsinn.«
»Jill, du kennst die Victoria von heute nicht. So wenig wie die Abby
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