Die zweite Tochter: Thriller (German Edition)
von heute. Du sagst, dass dich ein zweiter Wagen verfolgt hat. Was, wenn Victoria ihn gefahren hat?«
»Du spinnst doch, Sam.« Jill versuchte Victorias Aufmerksamkeit auf sich zu lenken.
»Du hast ihre Zornesausbrüche doch miterlebt. Denk an Williams Totenfeier. Vielleicht hatte sich so viel Groll in ihr angesammelt, dass sie ihn einfach töten musste. Wie sie ihn dazu gebracht hat, die Medikamente zu nehmen, weiß ich nicht, aber sie hatte die Schlüssel zu seinem Haus. Ich nehme den nächsten Flieger und komme zu dir.«
Für einen kurzen Augenblick empfand Jill Dankbarkeit, trotzdem regte sich Missmut in ihr. »Niemals werde ich Victoria so etwas Schreckliches zutrauen, Sam.«
»Du musst das sachlich betrachten, ohne Emotionen.« Sams Stimme wurde lauter. »Du klingst wie eine dieser Mütter, deren Sohn jemanden umgebracht hat, die dann aber in Interviews beteuern: ›Er war immer ein so guter Junge.‹«
»Ich weiß, was ich weiß, Sam. Und ich kenne das Mädchen.« Victoria winkte Jill zu. In ihrem Gesicht stand die blanke Angst. »Ich muss aufhören. Victoria ist schon hier.«
»Halte dich von ihr fern, Schatz.«
»Mach dir keine Sorgen.« Jill beobachtete, wie Victoria an der Krankenschwester vorbei zu ihr kam.
»Bitte, halte dich von ihr fern. Und vermeide es, mit ihr allein zu sein.«
»Ich passe schon auf mich auf. Bis bald.« Jill legte auf, als Victoria in ihr provisorisches Untersuchungszimmer kam und ihre Arme zu einer Umarmung öffnete.
»Jill! Ist alles in Ordnung?«
57
»Ist wirklich alles in Ordnung?« Victoria ließ von ihr ab, und Jill konnte sehen, dass ihre Augen rot waren und sie schon ein zweites Mal Wimperntusche aufgetragen hatte. Sie hatte auf der Herfahrt also geweint. »Wenn man dich so anschaut, könnte man es fast glauben.«
»Glaub es mir, es stimmt.« Jill gelang ein Lächeln. Victorias Zuwendung tat ihr gut. »Aber ich frage mich noch immer, warum Brian das getan hat. Es ist so schrecklich. Ich steh noch immer halb unter Schock.«
»Ich weiß.« Victoria schluckte schwer. »Sie wollen mir nichts über seinen Zustand sagen. Ich habe versucht seine Eltern zu erreichen, aber die sind in Europa.«
»Ich habe gehört, dass er gerade von den besten Ärzten der Klinik operiert wird.«
Victoria sank auf einen Stuhl. »Wenn er tatsächlich das getan hat, was du sagst, muss er ins Gefängnis.«
Die Krankenschwester betrat den Raum, zwei Herren mittleren Alters begleiteten sie. Beide trugen dunkle Anzüge. Der größere schien das Sagen zu haben. Er war gut gebaut, hatte ein zerfurchtes Gesicht und trug einen Bürstenhaarschnitt.
»Doktor Farrow, das hier sind Special Agent Donator und sein Kollege Special Agent Cohz vom FBI .«
»Danke, dass Sie gekommen sind«, sagte Jill überrascht. »Eigentlich hatte ich die örtliche Polizei erwartet.« Sie gab Special Agent Donator die nicht bandagierte Hand.
»Ich freue mich, Sie kennenzulernen, Doktor Farrow.« Der Beamte sah zur Schwester. »Würden Sie uns für ein paar Minuten allein lassen?«
»Natürlich. Nur etwas noch.« Die Schwester gab Jill mehrere Papiere. »Das hier ist das Blutbild, und das sind die Entlassungspapiere. Bitte ein Mal unterschreiben.«
»Ich kenne das Prozedere. Und bei Kopfschmerzen gehe ich sofort zum Arzt.« Jill setzte lächelnd ihre Unterschrift auf das Papier und gab es der Schwester zurück.
»Bleiben Sie bitte nicht allzu lange. Wir brauchen den Raum«, sagte die Schwester noch im Weggehen.
»Verstanden.« Special Agent Donator nickte, zog den Vorhang zu und wandte sich an Jill. Er lächelte kühl. »Sie haben heute so einiges erlebt. Fühlen Sie sich stark genug?«
»Ja.« Jill nickte in Richtung Victoria. »Das ist Victoria Skyler, meine Stieftochter, ich meine, sie ist meine ehemalige Stieftochter.«
»Hallo.« Victoria gab beiden Beamten die Hand, wirkte dabei jedoch recht steif und förmlich. »Ich bin eine Freundin von Brian Pendle und habe bei Creed & Whitstone bereits einen Anwalt für ihn engagiert. Stellen Sie ihm also keine Fragen, wenn er aus dem OP kommt.«
Jill war verblüfft, dem FBI -Agenten war sein Lächeln vergangen.
»Miss Skyler, Sie sind wohl nicht auf dem neuesten Stand, um alle …«
»Ich habe alle Fakten, die ich brauche«, unterbrach Victoria ihn. »Ich bin zwar noch keine Anwältin, aber dennoch weiß ich, dass versuchter Mord eine Angelegenheit der Staatspolizei ist und nicht des FBI . Was machen Sie also hier?«
Agent Donators Miene wurde noch ernster.
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