Die zweite Tochter: Thriller (German Edition)
ihrer Tochter einen überraschten Blick zu. »Das hast du gut gesagt.«
»Und was ist besser?«
»Wahrscheinlich eine Mischung aus beidem. Liebe ist etwas Schönes. Erlaube Menschen, dass sie dich lieben, und suche dir die Menschen, die du liebst, mit Bedacht aus. Sie müssen deiner würdig sein«, hörte Jill sich dozieren. Sie selbst hatte in ihrem Leben schon eine Menge Lehrgeld zahlen müssen. »Jeder macht dabei Fehler, aber das ist in Ordnung.«
»Ist es?«
»Klar, das ist nur menschlich.«
»Dass man sich scheiden lässt, kann also immer passieren?«
»Schon«, antwortete Jill gequält. »Natürlich ist das nicht ideal, aber es ist das Beste, wenn das Zusammenleben nicht mehr funktioniert.«
»Nur dass ich mich von William nie habe scheiden lassen«, entgegnete Megan sachlich kühl. »Ich habe mich von niemandem scheiden lassen. Genauso wenig wie Abby und Victoria. Kinder haben nie eine Wahl, sie müssen sich mit den Entscheidungen der Eltern abfinden.«
»Ich weiß, mein Schatz, und es tut mir leid.«
»Das war kein Vorwurf. Nur eine Feststellung.«
»Trotzdem. Dass alles so kommen musste, das tut mir leid.«
Megan zog ihr Handy aus der Tasche. Sie hatte eine SMS bekommen.
»Vergiss nicht, das Handy in der Kirche auszuschalten.«
»Klar.« Als Megan die SMS las, huschte ein bisher unbekanntes Lächeln über ihr Gesicht.
»Courtney?«
»Nein, ein Junge.«
»Aha?« Auch Jill lächelte, froh darüber, das Thema wechseln zu können. »Darf ich mehr erfahren?«
»Er ist süß. Wirklich. Er schwimmt bei den Hornets . Im Freistil ist er einer der Schnellsten im Verein.«
»Alle Achtung. Und wie heißt er?«
»Jake Tilson.«
»Megan Tilson klingt nicht schlecht, oder?«
»Du spinnst, Mom.« Megan lachte. Genau das hatte Jill beabsichtigt.
»Und wie sieht er aus?«
»Er hat blonde Locken und blaue Augen. Er ist nicht gerade groß, aber das ist mir egal. Und sportlich ist er.«
Jill lachte. »Kein Wunder, wenn er im Schwimmverein ist.«
»Nein, ich meine, er ist kräftig. Er hat richtige Muckis, man sieht sie schon vom anderen Ende des Schwimmbeckens. Und er spielt Gitarre, richtige Gitarre, nicht auf dem Computer.«
»Wie hast du ihn kennengelernt?«
»Zum ersten Mal haben wir auf Courtneys Party miteinander gesprochen. Jake kennt ihren Zwillingsbruder vom Trainingslager. Nach der Party hat er mich als Freundin auf Facebook angefragt. Seitdem schreiben wir uns.«
Jill freute sich, das zu hören. Megan brauchte definitiv mehr Spaß in ihrem Leben. »Klingt wie eine moderne virtuelle Liebesgeschichte.«
»Aber das ist noch nicht alles.«
Jill lächelte und sah sie an. »Wie, das ist noch nicht alles?«
»Wir haben uns geküsst!« Megan verbarg ihr Gesicht in ihren Händen und lachte unsicher.
»Und, war es schön?« Jill wusste, dass das für ihre Tochter etwas ganz Großes war. Sie hatte bisher noch keinen Freund gehabt. Sie fühlte sich fröhlich und ein bisschen traurig zugleich. Jetzt war Megan also zum ersten Mal von einem Jungen geküsst worden. Immerhin war sie auf diesem Gebiet etwas langsamer als ihre Klassenkameradinnen gewesen. Jill hatte sich von deren Müttern schon ganz andere Geschichten anhören müssen.
»Nein.« Megan nahm die Hände vom Gesicht und errötete. »Es war eklig, und ich glaube, ich bin nicht gut darin. Außerdem trägt er auch eine Zahnspange. Es war, als würde Iron Man einen Doppelgänger küssen.«
»Ganz bestimmt nicht.«
»Doch.« Megan stöhnte auf. »Aber es liegt an mir. Ich bin eine schlechte Küsserin.«
»Soll ich dir ein paar Tipps geben?«
»Mom.« Megan war entsetzt. »Das ist nicht wie Rückenschwimmen. Das kann man nicht einfach lernen.«
»Wieso denn nicht? Als Erstes entspann deine Gesichtsmuskeln. Und dabei nicht den Mund verziehen.«
»Du bist so abartig.« Megan grinste. »Du veralberst mich, oder?«
»Nein, aber ich bin eine ziemlich gute Küsserin. Ich küsse Jungs schon, seit ich denken kann. Tausende habe ich geküsst, Millionen.« Jill wurde das Herz leicht, als Megan kicherte.
»Hör auf. Das ist ekelig.«
»Gar nicht. Es ist nichts dabei, einen Jungen zu mögen, und es ist auch nichts dabei, ihn zu küssen. Du darfst nur nichts tun, was du hinterher bereust.«
»Das werde ich bestimmt nicht, Mom.« Megan schnaubte. »Ich lasse mir kein Kind machen wie die Teenager im Fernsehen.«
»Ich weiß. Trotzdem.« Jill befürchtete, dass jeder Teenager Dinge tun konnte, die er hinterher bereute.
»Du bist ja total
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