Die zweite Tochter: Thriller (German Edition)
hier darüber reden, mein Schatz?«
»Mom, ich bin kein Baby mehr. Ich vertrage die Wahrheit.«
»Offen gesagt, es geht dich nichts an. Es geht auch Abby nichts an. Es geht niemanden etwas an, nur mich.« Jill wollte standhaft bleiben. Megan würde die Wahrheit sicher nicht weiterhelfen, außerdem wäre sie am heutigen Tag zu viel für sie. »Ich musste mich von ihm scheiden lassen, also habe ich es getan. Seitdem geht es uns besser, oder etwa nicht?«
»Mom, erzähl.« Megan lehnte sich nach vorn und legte die Hände auf den Tisch. »William hat mit Abby und Victoria darüber gesprochen. Das heißt, er war sich sicher, dass sie damit zurechtkommen.«
»William hat Abby und Victoria angelogen.«
»Vertrau mir, Mom. Ich komm auch damit zurecht.«
»Das hat nichts mit Vertrauen zu tun.« Jill versuchte es andersrum. »Können wir dieses Kapitel heute nicht ein für alle Mal beenden und nach vorn blicken?«
»Aber um den nächsten Schritt zu gehen, müssen wir den vorherigen verstehen.«
Jill schloss die Augen. Entweder hatte Megan das irgendwo gelesen, oder sie war in der letzten Zeit gereift.
»Das waren deine Worte, als du mir vorige Woche beim Üben von Gleichungen geholfen hast.« Megan lehnte sich zu ihr hinüber. »Erzähl mir, was passiert ist. Was war der wahre Grund für eure Trennung?«
Jill war kurz davor nachzugeben. Zum Glück wurde in diesem Moment das Essen gebracht. »Einen Augenblick.«
»So, meine Damen.« Die Kellnerin servierte die Salate, ein Hauch von Balsamico hing in der Luft. Jill und Megan bedankten sich.
»Ich weiß nicht, ob er mich betrogen hat. Aber das spielt auch keine Rolle mehr.«
Megans Augen leuchteten auf. »Natürlich spielt das eine Rolle. Es muss eine Rolle spielen.«
»Lass uns das Ganze nicht dramatisieren«, sagte Jill. Aber ob das noch möglich war? Wenn Mütter und Töchter sich nicht einigen konnten, wurde nur allzu schnell ein Drama daraus. Und spielte in dem Stück noch ein toter Exmann mit, dann wurde unweigerlich ein Melodram daraus.
»Eine Zeit lang waren wir glücklich. Aber dann haben sich die ersten Probleme eingeschlichen, ohne dass ich es gemerkt hätte. Bestimmte Symptome habe ich einfach ignoriert, man will ja die erste Diagnose der Beziehung nicht unbedingt revidieren. Ein typischer Fall von Selbstbetrug.«
Megan nickte. Sie war daran gewohnt, dass ihre Mutter medizinische Ausdrücke auch in anderen Zusammenhängen gebrauchte.
»Wenn du dich an William erinnerst, wie war er?«
»Spaßig. Komisch. Unternehmungslustig.« Megan lächelte. »Ich weiß noch, wie er mit einem Trampolin nach Hause gekommen ist.«
»Erinnerst du dich auch an das rote Cabrio? Mit jedem von euch hat er eine Spritztour gemacht.«
»Klar, der rote Mustang.« Megan strahlte übers ganze Gesicht. Hoffentlich war es kein Fehler, die guten alten Zeiten heraufzubeschwören.
»Nun, irgendwer musste das alles auch bezahlen. William hat zwar Geld verdient, aber nicht so viel wie ich. Er wollte einen bestimmten Lebensstil pflegen, wollte Autos und ein Trampolin, eben alles, was ihm gefiel.«
»Und was war falsch daran?« Megan runzelte die Stirn.
»Eigentlich nichts. Aber er machte immer größere Schulden, wollte sogar unser Haus beleihen lassen. Ich war hingegen noch nie jemand, der sein Geld einfach aus dem Fenster wirft.« Jill gab ihr Bestes, doch wie sollte man eine Scheidung einem Teenager erklären, dessen Lieblingssendung Der Bachelor war? »Er war immer am Investieren, um mehr Geld zu verdienen. Als er sich einmal in ein junges Biotech-Unternehmen einkaufen wollte, habe ich ihm das Geld gegeben. Ein andermal wollte er eine Versicherungsgesellschaft aufkaufen. Sie war nicht groß, aber immerhin … Nie hat er eine bestimmte Sache konzentriert weiterverfolgt – nie.«
»Also lag es am Geld?«
»Nicht nur. Doch Geld spielte immer eine Rolle.«
»Aber wollte er nicht nur seine Träume verwirklichen?«
»Die Sache liegt anders.« Dass Megan William verteidigte, überraschte Jill nicht. Sie hatte geahnt, dass diese Art von Gesprächen zu nichts führte. »Natürlich sollst du deine Träume verwirklichen. Aber du musst dabei trotzdem immer Realist bleiben.«
»William hatte also nicht genug Geld, um seine Träume zu verwirklichen?«
»Die traurige Wahrheit ist, dass er überhaupt keine Träume hatte. Er wollte nur reich werden. Und das ist kein Traum. Das ist einfach nur Gier.«
Megan schloss die Augen.
»Ich habe bald begriffen, dass das ein Fass ohne Boden ist.
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