Die zweite Tochter: Thriller (German Edition)
beruflich?«
»Ich bin Ärztin«, antwortete Jill, und Belles Augen leuchteten auf.
»Wirklich? Ein Arzt im Haus kann nie verkehrt sein. Die Genossenschaft wird Sie mit offenen Armen aufnehmen.«
Jill fragte sich, wie William mit einer falschen Identität vor dem Forum einer Genossenschaft hatte bestehen können. »Ich habe bisher noch nie in einer Genossenschaftswohnung gewohnt. Welche Unterlagen muss ich mitbringen?«
»Alle, aber auch wirklich alle! Steuerbescheide, Bankauszüge, mindestens zwei Referenzen und Empfehlungen, außerdem einen Brief Ihres letzten Vermieters, in dem steht, dass Sie immer pünktlich Ihre Miete gezahlt haben. Wohnen Sie in New York derzeit zur Miete?«
»Nein.« Für Jill wurde die Sache immer unverständlicher. Wie hatte William derart viele gefälschte Unterlagen vorlegen können? »Werden alle Bewerber so sorgfältig überprüft, oder kann es passieren, dass man hier einen x-Beliebigen einziehen lässt?«
»Wo denken Sie hin! Bei Ihnen sehe ich jedoch keine Probleme. In der Upper East Side ist man sehr pingelig, aber hier in Downtown geht es etwas entspannter zu.« Belle lächelte ihr Maklerlächeln. »Ich sehe es an ihrem hübschen Ring, dass Sie nicht allein sind. Suchen Sie für zwei?«
»Ja.« Jill gelang es wieder zu lächeln.
»Sie Glückliche. In dem Haus wohnen nur nette Leute. Es geht sehr vertraulich zu, das Gebäude ist ja so klein. Am Unabhängigkeitstag gibt es jedes Jahr eine Party auf dem Dach, bei der man gemeinsam das Feuerwerk genießt.«
Jill war eine Idee gekommen. »Stellen Sie sich vor, ich habe in der Lobby hier neulich jemanden gesehen, der mit mir auf dem College war. Neil Straub. Groß und gutaussehend. Ich glaube, er wohnt in 4-D?«
»4-D?« Belle überlegte. »O ja, der wohnt aber nur zur Miete. Ich habe die Wohnung vor ein paar Jahren an ein Ehepaar aus London verkauft, das dann aber zurück nach England gegangen ist. Mieter gibt es in dem Haus nur wenige. Der Genossenschaft ist es so lieber. Man kann sie nicht so gut kontrollieren.«
»Müssen Mieter der Genossenschaft auch all diese Papiere vorlegen?«
»Nein.«
Jetzt wusste Jill also, wie William hier hatte einziehen können.
Belle beugte sich zu Jill hinüber, die sich sofort in einer Parfumwolke wiederfand. »Der Kerl ist ein Frauenheld. Meine beste Freundin wohnt in 4-A. Ich weiß also Bescheid. Er ist ständig auf der Pirsch, Sie verstehen?«
Ja, Jill verstand, leider. »Er hat sich also nicht geändert.«
»Kein Mann ändert sich je, meine Liebe. Am liebsten treiben sie es mit allen.«
»Wahrscheinlich hat er dann auch nie geheiratet?«
»Ich habe ihn ein paarmal mit demselben Mädchen gesehen. Dass die von seinen anderen Püppchen wusste, bezweifle ich aber.«
Auch Jill bezweifelte das. »Wie sah sie aus?«
»Dürr, blond und jung, wie sonst?«
»Wissen Sie, was Neil arbeitet? Früher hat er mal mit Medikamenten gehandelt.«
»Keine Ahnung. Aber irgendetwas macht er wohl, wovon man reich wird. Vor drei Jahren fuhr er einen dicken silbernen Mercedes. Das weiß ich, weil er damals meinen Parkplatz übernommen hat.«
»Das Haus hat also eine Garage?«
»Ja, aber die kostet extra.«
»Wo ist sie? Sind die Plätze nummeriert?«
»Ja, nach den Wohnungsnummern.« Belle zeigte hinter sich. »Die Garage ist hinter dem Haus. Aber jetzt kommen Sie erst mal mit in die Küche.«
In der nächsten halben Stunde wurde Jill durch eine Wohnung geführt, die sie nicht kaufen wollte. Dann verabschiedete sie sich von Belle und verließ das Haus. Gleich darauf änderte sie jedoch ihren ursprünglichen Plan. Es machte wenig Sinn, um fünf Uhr zurückzukommen. Auch der Nachtpförtner würde Abby nicht wiedererkennen, weil sie zweifellos nie hier gewesen war.
Die Garage ist hinter dem Haus.
Ob Williams Wagen dort stand? Jill machte sich auf den Weg. Jogger trabten an ihr vorbei, sie waren auf dem Weg zum Hudson. Auf dem West Side Highway ging es laut zu, der Verkehr hatte in beide Richtungen zugenommen. Jill bog in eine kleine Seitenstraße ein.
Auf halbem Weg entdeckte sie ein Tor, wahrscheinlich die Einfahrt zur Garage, und daneben eine Tür, die aber abge schlossen war. Jill sah sich vorsichtig um, da erblickte sie einen schwarzen SUV , der an der Einfahrt zum West Side Highway parkte.
Sie erstarrte. Der Wagen war doch eben noch nicht da gewesen, oder hatte sie ihn übersehen? Er sah dem SUV mit dem defekten Scheinwerfer verdammt ähnlich. Leider hatte dieser die Scheinwerfer jetzt am Tag
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