Die zweite Todsuende
zahlte sofort und trug das Glas in eine der hinteren Nischen. Immerhin war es dämmerig hier drinnen, kühl und still. Langsam trank er das Bier, nahm immer nur einen kleinen Schluck, döste vor sich hin und vermied unnötige Bewegungen.
Was ihn wurmte - und das wußte er - war das Gefühl, daß jemand ihn an der Nase herumführte. Irgendwer, der kein Dummkopf war, spielte mit ihm. Wohin auch immer er sich wandte - jemand hatte diesen Weg vorausgeahnt und versperrt. Seine Ausbildung, seine Erfahrung, sein Können und sein Instinkt - all das ließ jemand ins Leere laufen, jemand, der vermutlich zum erstenmal getötet hatte. Das war das schlimmste dabei: es war ein Anfänger, ein gottverdammter Amateur, der Edward X. Delaney nach seiner Pfeife tanzen ließ. Zorn stieg in ihm auf, und er verstand in diesem Augenblick gut, daß Polizisten Fäuste und Schlagstöcke gebrauchten. Die Frustration krampfte einem den Magen zusammen und scheuerte die Nerven wund.
Er war bei seinem zweiten Bier, als Abner Boone hereinschlenderte. Der Sergeant nahm die Sonnenbrille ab, sah sich um, entdeckte Delaney und nickte. Am Tresen blieb er stehen, ließ sich eine Cola geben, stürzte sie hinunter, bestellte noch eine, trug sie zu Delaneys Tisch und schob sich in die Bank ihm gegenüber.
«Himmel», stöhnte er, «müssen über dreißig Grad sein. Und diese Luftfeuchtigkeit! Warten Sie schon lange?»
«Nicht sehr. Ich habe schon überlegt, ob ich was essen soll, bin aber eigentlich nicht hungrig. Sie?»
«Ich kann das Mittagessen überspringen. Im Augenblick möchte ich mich bloß abkühlen. Mein Hemd klebt mir am Leib.»
«Ziehen Sie doch die Jacke aus», schlug der Chief vor.
«Hm … ich hab aber das Pistolenhalfter um», sagte Boone. «Wenn das jemandem auffällt und er holt womöglich die Polizei … Es geht schon.» Er kramte sein Notizbuch aus der Innentasche. «Hoffentlich haben Sie mehr erreicht als ich, Chief.»
«Bei mir war Sense - nichts als Sense!» kam es so heftig von Delaney, daß Boone erschrocken aufsah.
Delaney berichtete, was er entdeckt hatte - oder vielmehr nicht entdeckt hatte.
«Rundum negativ», sagte er. «Das einzige, was dadurch bewiesen ist oder bewiesen sein könnte, ist, daß Maitland seine Mutter und seine Schwester finanziell nicht unterstützt hat. Und das haben die beiden uns bereits gesagt.»
«Könnte es sein, daß Dora noch bei einer anderen Bank ein Konto hat? Oder Emily? Oder vielleicht Schließfächer, die randvoll mit Moos sind?»
Delaney schüttelte den Kopf. «Das hat Thorsen selbstverständlich als erstes überprüft. Das hier ist ihre einzige Bank. Was ist denn bei Martha Beasely herausgekommen?»
«Mehr Fragen als Antworten.» Boone blättere in seinem Notizbuch. «Das fuchst mich überhaupt so an dieser Sache: jedesmal, wenn wir was unternehmen, ergeben sich plötzlich noch mehr Probleme. Zum Beispiel Martha Beasely: Sie behauptet, seit fast vier Jahren bei Maitlands zu arbeiten. Und in der ganzen Zeit hat sie weder Victor Maitland noch Saul Geltman jemals gesehen. Sie wußte zwar, daß es sie gibt und daß sie gelegentlich zu Besuch kamen, weil Dora und Emily dauernd von ihnen redeten. Aber gesehen hat sie keinen von beiden. Wie reimen Sie sich das zusammen?»
«Ganz einfach», sagte Delaney, reckte sich mit neuerwachtem Interesse und lehnte sich über den Tisch. «Maitland und Geltman sind mit voller Absicht immer nur gekommen, wenn Martha frei hatte. Vielleicht auch abends, wenn sie nicht mehr da war.»
«Aber warum?»
«Das ist eine andere Frage. Das kann ich Ihnen auch nicht sagen, Sergeant. Aber ich wette, sie haben ihre Besuche so gelegt, daß die Haushälterin sie nicht sah. Was noch?»
«'n Haufen Kleinkram. Dora hängt an der Flasche, wie wir es uns schon gedacht haben. Sie schläft viel, und an manchen Nachmittagen kann sie nicht mehr stehen. Emily geht nie allein aus, soweit die Beasely weiß. Keine Verabredungen. Keine Bekannten, die mal vorbeikommen. Keine Anrufe, außer von alten Freunden der Familie.»
«Hm …» Delaney seufzte. «Das war's also.»
«Nein, Sir», sagte Sergeant Boone. «Nicht ganz. Da ist noch was. Wieder ein Fragezeichen. Die Beasely war zuerst furchtbar zugeknöpft. Argwöhnisch. Wollte nicht mit der Sprache raus. Als ich aber sagte, ich interessierte mich für Steuersachen, Victor Maitland habe behauptet, er unterstütze Mutter und Schwester und wir glaubten das nicht, fing sie plötzlich an zu reden. Oder besser, sie jammerte ganz
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