Die zweite Todsuende
Anwalt.»
«Chief?» fragte Boone. «Sind Sie noch da?»
«Ja, bin ich. Ich hab's gehört. Irgendwelche Ideen?»
«Keine Ahnung! Bin völlig durcheinander. Und Sie?»
«Lassen Sie uns morgen früh darüber reden. Vielen Dank, daß Sie angerufen haben, Sergeant.»
Er legte auf und rollte sich vorsichtig wieder unter die Decke, aber Monica regte sich.
«Was ist los?» murmelte sie.
«Ich weiß es nicht», sagte er.
6
Sergeant Boone entschuldigte sich wegen des späten Anrufs. «Ich hätte warten können, Chief», gab er zu. «So wichtig war es ja auch wieder nicht. Aber ich war so aufgeregt. Es war schließlich das erste Neue, auf das wir gestoßen sind. Es steht doch nicht in den Akten, oder?»
«Nein», sagte Delaney. «Nein, das tut es nicht. Ich habe heute morgen noch einmal nachgesehen.»
Sie saßen in Boones Auto vor Delaneys Haus. Beide hatten ihr schwarzes Notizbuch aufgeschlagen.
«Ich hab die halbe Nacht wachgelegen und versucht, dahinterzukommen, was es zu bedeuten hat», sagte der Sergeant. «Doch dann hab ich gedacht, ach, was soll's, die beiden sind gute Bekannte, das ist alles. Warum sollte Mrs. Maitland nicht mit der Sekretärin von Geltmans Anwalt befreundet sein? So haben sie sich wahrscheinlich kennengelernt. Aber dann mußte ich daran denken, wie bösartig Mrs. Maitland Geltmans Namen aussprach. Also benutzt sie die Sekretärin vielleicht als private Informationsquelle, um auf dem laufenden über das zu bleiben, was der Knirps vorhat. Was meinen Sie?»
«Könnte sein.» Delaney nickte. «Außer, daß die beiden im Le Provençal zu Mittag gegessen haben, in der East 62nd Street, und das ist nicht weit von der Galerie Geltman. Falls Mrs. Maitland mit dieser Susan Hemley befreundet ist, sie vielleicht sogar für Informationen bezahlt, hätte sie bestimmt ein Lokal gewählt, wo keine Gefahr besteht, Geltman zufällig in die Arme zu laufen.»
«Vermutlich.» Boone seufzte. «Im Augenblick ergibt es überhaupt keinen Sinn, man kann es drehen und wenden wie man will.»
«Eines steht aber fest», erklärte Delaney ingrimmig. «Wir werden uns mit diesem J. Julian Simon und dieser Hemley unterhalten müssen.»
«Heute?»
«Wenn die Zeit reicht. Zuerst Belle Sarazen. Punkt zehn. Dann, heute nachmittag um zwei, Jake Dukker. Wir werden sehen, wie es läuft. Sie wissen, wo die Sarazen wohnt?»
«Ja, Sir», grinste Boone. «Sie sollten mal ihre Wohnung sehen! Das reinste persische Hurenhaus.»
Behutsam reihte er sich in den Verkehr ein und fuhr dann Richtung Norden bis zur 85th Street, um dort durch den Central Park auf die West Side zu kommen. Feiner warmer Dunst hing in der Luft, doch sie hatten die Fenster runtergekurbelt. Matt schimmerte die Sonne hinter einem grauen Schleier; es sah aus, als ob sie bis Mittag durchbrechen könnte.
«In bezug auf Belle Sarazen waren meine Unterlagen ziemlich kärglich», meinte Delaney. «Ich hatte das Gefühl, als ob alle auf Eiern gingen. Sie sagen, Sie hätten sie zweimal befragt. Was für einen Eindruck hatten Sie?»
«Erinnern Sie sich noch an den Fall Canfield?» fragte Abner Boone. «In Virginia? Vor ungefähr zehn, fünfzehn Jahren?»
«Canfield?» wiederholte Delaney. «War das nicht der Erbe eines Tabakimperiums, dem der Kopf weggeschossen wurde? Und dessen Frau behauptete, sie hätte gemeint, auf einen Einbrecher zu ballern?»
«Richtig. Und die Frau mit der Kanone ist unsere Belle. Rehposten, also sehr grober Schrot. Der arme Hund wurde zu Brei geschossen. Damals hieß sie Belle Canfield. Junge Frau, betagter Ehemann. Geerbt hatte er schon, aber in der Firma wollten sie ihn nicht haben. Schwerer Trinker und leidenschaftlicher Spieler. Es hatte etliche Einbruchsversuche gegeben; daran ist nicht zu rütteln. Die Flinte hatte er selber gekauft und ihr beigebracht, damit umzugehen. Trotzdem: sie wußte, daß er an diesem Abend mit seinen Freunden aus war und drückt auf den Abzug, ohne auch nur einmal zu fragen: ‹Bist du das, Liebling?› Die Geschworenen unter dem Coroner, oder was sie sonst da unten haben, bezeichneten es als tragischen Unglücksfall, und sie tanzte mit fast zwei Millionen ab.»
«Und der Staatsanwalt ging ein Jahr später in Pension an die Riviera.»
«Davon weiß ich zwar nichts», sagte Boone lachend, «aber Canfields gehörte praktisch die ganze Gegend. Sie sind mit der Hälfte des Geldadels in Virginia versippt. Die Sarazens hatten zwar kein Geld, dafür aber einen alten Namen: eine der ältesten Familien in Virginia.
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