Die zweite Todsuende

weiß Gott mit genug Malern geschlafen. Jake ist besser als Maitland jemals war - technisch, meine ich. Und genauso schnell. Aber Victor hat sich einen Scheißdreck um das gekümmert, was gerade gefragt war, was dem Trend entsprach, was sich verkaufte. Eines weiß ich genau: hätte Victor Maitland nie auch nur ein einziges Bild in seinem Leben verkauft, er hätte um kein Haar anders gemalt. Da war er absolut konsequent. Jake ist das überhaupt nicht und wird es nie sein. Er hat Victors künstlerische Integrität gehaßt. Gehaßt! Und gleichzeitig wollte er sie haben, wünschte er sie sich so sehr, daß er die Wände hochging. Das weiß ich. Er hat es mir einmal selbst gesagt und dann losgeheult. Jake läßt sich gern züchtigen.»
    Beide Herren waren perplex und wußten nicht, ob Belle das buchstäblich meinte oder im übertragenen Sinne. Delaney beschloß, nicht weiter nachzufragen.
    «Sergeant Boone hat mir erzählt, Sie hätte zugegeben, mit Victor Maitland intim gewesen zu sein.»
    «‹Mit Victor Maitland intim gewesen zu sein›», äffte sie ihn nach. «Sie reden wie Daddy. Ich hab immer 'ne Schwäche für ältere Männer gehabt. Das bestätigen mir alle meine Therapeuten. Im tiefsten Herzensgrunde bin ich eine Vaterfickerin. Klar hab ich mit Victor gebumst. Er hätte öfter mal ein Bad nehmen sollen, aber auch so hatte es einen gewissen Reiz. Ein Wüstling war er.»
    «Und hat er Sie bezahlt?»
    «Er hat mir Geschenke gemacht, ja», sagte sie unbekümmert.
    «Geld?»
    «Meistens. Einmal ein kleines Bild, das ich für zehntausend verkauft habe.»
    «Hat es Ihnen nicht gefallen?»
    «Das Bild? Geliebt habe ich es. Ein kleines Stilleben. Eine einzelne Mohnblüte in einer Kugelvase aus Kristall. Allerdings sind mir Banknoten noch lieber.»
    «Haben Sie Maitland gesagt, daß sie sein Bild verkauft hatten?»
    «Selbstverständlich.»
    «Und wie hat er reagiert?»
    «Er hielt das für einen Riesenjux! Er sagte, ich hätte mehr dafür bekommen, als Geltman je dafür bekommen haben würde.»
    «Maitland war offensichtlich ein großzügiger Mann.»
    «Kleinlich war er jedenfalls nicht», gab sie zu.
    Delaney rieb sein Kinn und sah blinzelnd hinaus. Der Dunst wurde langsam weggefressen. Schatten fielen auf die geflieste Terrasse.
    «Haben Sie Maitland jemals Frauen vermittelt?» fragte er.
    Es folgte ein Moment des Schweigens, kurz, bedeutsam.
    «Frauen vermittelt? Das Wort gefällt mir nicht. Ich habe ihn gelegentlich auf Modelle aufmerksam gemacht, von denen ich meinte, daß er etwas mit ihnen anfangen könnte.»
    «Hat er Sie für diese Dienste bezahlt?»
    «Selbstverständlich, und ich habe das in meinen Steuererklärungen angegeben. Ich bin sauber.»
    «Kein Zweifel», sagte er milde. «Kommen wir noch einmal zu jenem Freitag, an dem Maitland getötet wurde. Sie sagten, Sie hätten Ihre Wohnung gegen halb elf verlassen und seien für eine Stunde zu Ihrer Joga-Klasse gegangen.»
    «Joga und Meditation», sagte sie. «Zwanzig Minuten sitzen wir nackt auf dem Boden und sagen Uuuum.»
    «Danach sind Sie zu Jake Dukker in sein Atelier am Central Park gegangen. Haben Sie ihm für den Akt auf Alufolie Modell gestanden?»
    «Nein, Jake war gerade dabei, eine Fotoserie vorzubereiten. Er ist nämlich auch Fotograf, und zwar ein guter. Meistens Mode. Seine Bilder erscheinen in Vogue und Town & Country. Ich hab nur rumgesessen und ihm gute Ratschläge gegeben, bis zur Mittagspause.»
    «Das war um zwölf?»
    «Gegen zwölf.»
    «Und dann?»
    «Danach gingen Jake und ich nach oben. Er hat eine Wohnung, die über zwei Stockwerke geht, wissen Sie. Jake machte uns was zu essen. Er hält sich für einen tollen Koch. Dabei kocht er erbärmlich. Ich habe in Paris gelebt und weiß, was ein guter Koch kann. Die Kräuteromelette, die er brutzelte, war kaum genießbar. Aber er hatte wenigstens einen guten eisgekühlten spanischen Weißwein.»
    «Und hatten Sie Verkehr?»
    Ohne zu begreifen, sah sie ihn an.
    «Sexuellen Verkehr», sagte er. «Während Sie in seiner Wohnung waren? Vor, während oder nach dem Mittagessen?»
    «Sie werden's nicht glauben», sagte sie, «aber ich weiß es nicht mehr. Ich kann mich wirklich nicht erinnern.»
    «Das glaube ich gerne», sagte er. «Schließlich ist es sechs Wochen her.»
    Sie brach in perlendes Lachen aus. «Ach, Mr. Delaney, Sie sind mir ein ausgebuffter Vogel! Schön, ich erinnere mich an die ungenießbare Kräuteromelette, aber ich erinnere mich nicht mehr, ob wir gebumst haben oder nicht.