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Die zweite Todsuende

Die zweite Todsuende

Titel: Die zweite Todsuende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Sanders
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Da ist viel Geld zu holen.» Er stand auf. «Ich muß nach unten. Was dagegen?»
    Die beiden Polizeibeamten sahen einander an. Delaney nickte leicht. Sie ließen die Notizbücher zuschnappen und erhoben sich.
    «Vielen Dank, daß Sie so hilfsbereit waren, Mr. Dukker», sagte Delaney. «Wir wissen das zu schätzen!»
    «Jederzeit», entgegnete der Künstler und vollführte eine ausladende Geste. «Wissen Sie, Chief, Sie haben ein sehr interessantes Gesicht. Eindrucksvoll. Das würde ich gern mal zeichnen. Vielleicht tu ich's, wenn Sie mit den Skizzen von Maitland wiederkommen.»
    Delaney nickte nochmals, ohne zu lächeln.
    «Können wir hier oben raus?» fragte Sergeant Boone wie beiläufig. «Oder müssen wir erst nach unten?»
    «O nein», sagte Dukker. «Sie können auch hier raus. Durch die Tür da drüben. Die geht auf den Korridor im fünften Stock, zum Aufzug.»
    «Ach, noch etwas», sagte Delaney. «Belle Sarazen hat uns erzählt, Sie seien dabei, ein Bild von ihr zu malen. Ein Akt auf Alufolie.»
    «Belle redet zuviel», sagte Dukker ungehalten. «Das spricht sich rum, und dann macht's jeder, ehe ich noch damit fertig bin.»
    «Könnten wir es sehen?» bat Delaney. «Wir würden keinem Menschen was davon erzählen.»
    «Gewiß. Warum nicht. Kommen Sie, es ist unten.»
    Man wartete unten im Atelier auf Dukker, die Empfangsdame mit einem Stoß Zettel, die Assistenten hinter ihren Lampen, ein Modell auf einem hohen Hocker. Sie trug einen ganz leichten geblümten Kimono, kaute Kaugummi und blätterte in Harper's Bazaar. Hinter ihr, auf der Bühne, hatten die Assistenten eine Boudoir-Szene aufgebaut: eine Chaiselongue mit Brokatdecke darüber, einen Kippspiegel, einen Frisiertisch, beladen mit Kosmetika, ein Messingbett mit schwarzen Seidenlaken.
    «Hallo, Jake», rief sie, als Dukker die Treppe herunterkam. «War das dein Ernst? Soll das hier wirklich für ein Kartenspiel sein?»
    Dukker würdigte sie keiner Antwort. Die Polizeibeamten konnten sein Gesicht nicht sehen. Er führte sie zu einem Stapel Bilder, zog eines heraus und stellte es auf eine Staffelei. Sie traten näher.
    Er hatte Aluminiumfolie auf eine Holzfaserplatte geklebt und die Oberfläche so behandelt, daß sie Temperafarben annahm. Der Hintergrund war ebenholzschwarz und ging zur Bildmitte hin in Zinnoberrot über, ein Rot, das glänzte wie alte Lackarbeiten. Davor Belle Sarazen, auf Händen und Knien.

    Delaney kam sie vor wie ein lauernder Jagdhund, der Rücken gewölbt und starr, den Kopf witternd vorgereckt, die Arme steif, die Schenkel gestrafft. Dukker hatte auf Hauttöne zugunsten der unbearbeiteten Aluminiumfolie verzichtet. Umrisse und Köperschatten waren mit zügigen violetten Pinselstrichen herausgearbeitet, die scharfen Gesichtszüge mehr angedeutet als ausgeführt.
    Eine verblüffende tour de force. Die Meisterschaft des Künstlers war unverkennbar, seine neue Technik erstaunlich. Gleichwohl hatte das Bild eine bedrückende Wirkung, etwas Eiskaltes und Seelenloses. Der durchtrainierte, muskulöse Körper der Frau wirkte verderbt.
    Dies Wirkung war offenbar gewollt, und Dukker hatte sie erreicht, indem er die Folie zerknitterte. Sie war, bevor er sie auf die Hartfaserplatte klebte, wieder glattgestrichen worden, doch die Haut, eben die Folie ohne Farbe, wies ein feines Netz von Runzeln auf, Hunderte von Runzeln, die den Anschein hervorriefen, als sei das Fleisch vom Alter verheert, durch allzu viele Hände gegangen. Delaney konnte nicht begreifen, warum Belle Sarazen so stolz auf ein Porträt war, das sie in dem Augenblick zu zeigen schien, bevor sie in winzige Partikel zerbrach, zu Staub zerfiel.
    «Sehr schön», sagte er zu Dukker. «Wirklich sehr schön.»
    Tief in Gedanken ging er mit Boone zum Wagen.
    «Ist das mit der Garage überprüft worden, Chief?» fragte Boone.
    «Ja», sagte Delaney. «Angeblich holte Dukker seinen Wagen an jenem Abend um sieben. Aber überprüfen Sie's noch mal.»
    «Wird gemacht», versicherte der Sergeant. «Wissen Sie, diese Leute sind mir unheimlich.»
    «Unheimlich?»
    «Jawohl, Sir», sagte Boone stirnrunzelnd. «Ich bin diesen Typ nicht gewöhnt. Bislang hatte ich immer nur mit Vorbestraften zu tun, mit Süchtigen, Mehrfachtätern, Profis. Sie verstehen? Diese Typen sind mir fremd. Die denken nämlich.»
    «Sie schlafen aber auch», sagte Delaney steinernen Gesichts. «Und essen und spielen, und einer von ihnen hat gemordet. Ich will damit sagen, einer hat eine sehr primitive Tat begangen, ein

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