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Die zweite Todsuende

Die zweite Todsuende

Titel: Die zweite Todsuende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Sanders
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hinaufführten. Sergeant Boone zog die Jacke an, ehe sie zur Tür gingen. Die Farbe war abgesprungen, der Klopfer aus Messing voller Grünspan. Delaney klopfte zweimal sehr energisch.
    Die Tür wurde augenblicklich geöffnet. Die große Frau, die sie anfunkelte, war hager, knochig, fast ausgemergelt, die Haut war tief gebräunt. Ein großflächiges Bauerngesicht. An den Füßen hatte sie schmutzige Hausschuhe aus Filz; die Fersen waren so heruntergetreten, daß aus den Hausschuhen regelrechte Schlappen geworden waren. Das glänzende schwarze Kleid wies an Ärmeln und Hals verschmutzte Rüschen auf. Vor dem flachen Busen trug die Frau eine Kamee und am Handgelenk völlig unerwartet eine goldene Herrendigitaluhr.
    «Ja?» fragte sie krächzend und schroff.
    «Mrs. Maitland?»
    «Nein», sagte die Frau. «Sind Sie von der Polizei?»
    «Ja, Madam», sagte Delaney leise und versuchte zu lächeln. «Mrs. Maitland erwartet uns.»
    «Hier längs», befahl die Frau. «Sie sitzen auf der Veranda.»
    Delaney konnte die gedehnte Aussprache nicht recht unterbringen. Möglicherweise von der Küste Virginias, dachte er.
    Sie hielt die Tür gerade weit genug auf, um Delaney und Boone einen nach dem anderen eintreten zu lassen. Beide folgten ihr über den langen, schmalen, läuferlosen Parkettboden des Korridors, der bis zur Flußseite des Hauses führte. Die Polizeibeamten hielten die Augen offen und erhaschten einen raschen Blick auf dunkle, schwere Möbel, getrocknete Blumen unter Glasstürzen, staubige Samtportieren, Schondeckchen, abgewetzte Fußbänke, düstere, mit glanzlosem Mahagoni verkleidete Wände und fleckige Tapeten. Ein modriger Geruch, dazwischen ein Hauch von Katze, schweres Parfüm und Möbelpolitur.
    Der Korridor endete vor der Veranda, die auf den Fluß hinausging. Die Fenster waren nach innen geöffnet und wurden von primitiven Haken und Ösen gehalten. Die Veranda, offenbar nach Errichtung des Hauptgebäudes angebaut, war ungefähr sechs Meter lang und zweieinhalb Meter breit, möbliert mit schäbigen Korbmöbeln, die einmal weiß gewesen und mit verblichenen Chintzkissen belegt waren. Auf dem Dielenboden lag ein schon recht fadenscheiniger Teppich. Ein kleiner, tragbarer Fernsehapparat stand auf einem der Stühle, auf einem anderen saß eine fette, verschlafene, buntscheckige Katze.
    Die beiden Frauen auf der Veranda hatten ihre Sessel dicht an einen etwas wackeligen Korbtisch herangerückt, auf dem ein schwarzes Lacktablett mit einem Krug stand, der offenbar Limonade enthielt. Drum herum standen vier hohe, anmutig sich verjüngende Gläser; jedes sah anders aus. Delaney vermutete, daß es sich bei dem Saftservice um ein wertvolles Stück aus der Jahrhundertwende handelte.
    Keine der Frauen erhob sich, um die Besucher zu begrüßen.
    «Mrs. Maitland?» fragte Delaney liebenswürdig.
    «Ich», erklärte die ältere der beiden Frauen, «bin Dora Maitland.»
    Sie reichte ihm die Hand wie zum Kuß. Delaney trat vor und drückte sie kurz. Eine feste, trockene Hand.
    «Edward X. Delaney von der New Yorker Polizei», sagte er. «Es ist mir ein Vergnügen.»
    «Und das hier», sagte Mrs. Maitland und streckte den Finger aus wie eine Schmetterlingssammlerin, die auf ein seltenes Exemplar zeigt, «ist meine Tochter Emily.»
    Gehorsam reichte die Jüngere ihre Hand. Delaney stellte fest, daß sie sich rundlich, weich und feucht anfühlte.
    «Miss Maitland, sehr erfreut. Darf ich Ihnen meinen Mitarbeiter, Sergeant Abner Boone, vorstellen?»
    Boone unterzog sich der Zeremonie des Händeschüttelns und murmelte dabei Unverständliches. Dann standen die beiden Polizeibeamten verlegen da.
    «Bitte die Stühle heranzuziehen, meine Herren», sagte Mrs. Maitland mit sonorer Stimme. «Am besten vielleicht die beiden Sessel dort in der Ecke. Ich bitte, die Katze nicht zu stören. Ich fürchte, sie ist heiß und nicht besonders gut gelaunt. Ich habe diesen Krug Limonade richten lassen. Ich nehme an, Sie sind durstig nach der langen Fahrt.»
    «Sehr freundlich, Ma'am», sagte Delaney, während die beiden Polizisten die unerwartet schweren Korbsessel herbeitrugen.
    «Es ist schwül heute.»
    «Martha», sagte Mrs. Maitland herrisch, «würden Sie bitte einschenken!»
    «Ich hab Wäsche zusammenzulegen», kam es quengelig von der ausgemergelten Frau, die unter der Tür gestanden hatte, sich aber jetzt abrupt umdrehte und davonschlurfte.
    «Es hält heutzutage schwer, gute Dienstboten zu bekommen», sagte Mrs. Maitland

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